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EU-Gelder hin oder her – Armutszuwanderung wird es vorerst noch lange geben

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Foto: BGNES

Im Eifer des Gefechts um Regierungsrücktritt, Parlamentsauflösung und Neuwahlen haben wir unsere alltäglichen Sorgen vernachlässigt. Eine solche typisch sommerliche Sorge ist, wie schaffe ich es, all meinen Freunden und Verwandten genug Zeit und Aufmerksamkeit zu widmen, wenn sie für ihre Sommerferien in die Heimat nach Bulgarien kommen? Fast jeder in Bulgarien hat Freunde und Verwandte, die ins Ausland ausgewandert sind. Und zu Weihnachten und im Sommer kommen sie heim. Dann geraten wir, die Hiergebliebenen, in Zeitnot – man will ja möglichst lange mit den Auslandsfreunden verbringen, während man selbst im gewohnten Arbeitsrhythmus ist.

Die Auswanderung hat in Bulgarien inzwischen bedrohliche Ausmaße erreicht. Die offizielle Statistik geht von rund einer Million Bulgaren aus, die im Westen leben. Die Dunkelziffer ist weit höher. Und zur Dunkelziffer sind auch die sog. Armutszuwanderer zuzurechnen. Viele westeuropäische Länder, allen voran Deutschland und Großbritannien, empfinden die Armutsflüchtlinge als eine Plage. Verständlich – es handelt sich in erster Linie um kinderreiche Roma-Familien ohne Schulabschluss. Sie ziehen in arme Ruhrgebietsstädte wie Duisburg, Dortmund oder Hamm, wo Zehntausende Wohnungen leer stehen und die Mieten billig sind. Ohne Job beziehen sie aber Kindergeld, das sie nicht selten nach Hause schicken. Und halten sich an die Verhaltensnormen in ihrer neuen Heimat nicht, was zu Spannungen mit den Einheimischen führt.

Das alles kostet den aufnehmenden Kommunen natürlich viel Geld. Und so ist auch die Forderung von Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Guntram Schneider zu verstehen. Er wünscht sich, dass die nicht abgerufenen EU-Gelder in Bulgarien und Rumänien den Aufnahmeländern von Armutszuwanderern, wie Deutschland, zur Verfügung gestellt werden. Zur Integration von Armutsflüchtlingen, wie es heißt. Bulgarien und Rumänien hätten Mittel des Europäischen Sozialfonds in Höhe von 600 Millionen Euro ungenutzt gelassen. Die EU lässt sich aber bisher von dieser Idee nicht begeistern.

Wie sieht es aber mit den gut gebildeten Einwanderern aus Bulgarien und Rumänien aus? Im knapp 18 Millionen Einwohner zählenden Nordrhein-Westfalen lebten Ende Oktober 2013 nicht einmal 90.000 Menschen aus beiden EU-Neulingen. Viele von ihnen sind gut qualifiziert und decken den Personalmangel etwa im IT-Sektor, und im Medizin- und Pflegebereich. Und genau diese Menschen fehlen der bulgarischen Wirtschaft. Soll nun Bulgarien etwa von Deutschland die Rückerstattung ihrer Bildungskosten verlangen? Das wäre mit dem EU-Grundwert der Arbeitnehmerfreizügigkeit sicherlich nicht zu vereinbaren.

Würden die von Bulgarien und Rumänien nicht abgerufenen EU-Gelder tatsächlich in die Integration der Roma in Deutschland oder Großbritannien investiert, wäre es eigentlich kein Problem. Die kommunalen Verwaltungsstrukturen in Bulgarien und Rumänien sind ganz bestimmt „miserabel“, wie Integrationsminister Schneider behauptet. Die Gelder wären in den von Armutszuwanderung betroffenen Kommunen in Deutschland besser aufgehoben. Würde sich aber die Integration der Armutsflüchtlinge nicht mit dem zweistündigen Abschiebe-Rückflug nach Bulgarien erübrigen. Vielmehr sollte man sich im vereinten Europa überlegen, wie die wirtschaftlichen und Lebensbedingungen in Ost und West ausgeglichen werden könnten. Dann gäbe es auch das Phänomen „Armutszuwanderung“ nicht.




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