Sendung auf Deutsch
Textgröße
Bulgarischer Nationaler Rundfunk © 2024 Alle Rechte vorbehalten

Der Stimmenkauf ist ein Verbrechen. Na und?

БНР Новини
Foto: BGNES

"Der Stimmenkauf ist ein Verbrechen" – mit diesem Satz endet jede Wahlwerbung im bulgarischen Fernsehen. Doch, leider sind die Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag von massiven Stimmenkäufen überschattet worden. Welchen konkreten Einfluss sie auf das Wahlergebnis haben, hat noch niemand genau erforscht. Die Signale, die selbst am Wahltag in die Zentrale Wahlkommission und in Nichtregierungsorganisationen eingegangen sind, sind Hunderte. Die Anklagen aber leider nur wenige.

Seit Jahren beobachtet die bulgarische Niederlassung vonTransparency International die Wahlen in Bulgarien und nimmt Signale über Wahlverstöße auf. So auch am 5. Oktober. Der Stimmenkauf gehört zu den am meisten verbreiteten Unregelmäßigkeiten. Wie kommt es, dass diese abstoßende Praxis jegliche Wahlen in Bulgarien begleitet? Dazu der Chef von Transparency International in Sofia, Kalin Slawow.

Снимка"Leider kommt es immer öfter vor und breitet sich aus. Die Politiker sinken immer tiefer und greifen zu verbotenen Mitteln, um den Wahlausgang zu beeinflussen", sagt Kalin Slawow. "In diesem Jahr haben wir sogar feststellen müssen, dass die Parteien keinen richtigen Wahlkampf geführt haben. Sie haben die Debatte gemieden und die Möglichkeit des Wahlkampfes nicht genutzt, um sich an die Wähler zu wenden und ihre Politik vorzustellen. Zu Stimmenkäufen kommt es, weil die bulgarische Gesellschaft tief degradiert ist. Ethik, Moral und Werte haben an Bedeutung verloren und dem alltäglichen Überlebenskampf Platz gemacht", resigniert Kalin Slawow.

Gemeinsam mit Politologen, Soziologen und Psychologen erforscht "Transparency International" seit Jahren die Ursachen für den Stimmenkauf. Die tiefe Wirtschaftskrise hat ganze Regionen des Landes zurückgeworfen. Die Menschen leben dort in einer feudalen Abhängigkeit vom Arbeitgeber, der ohnehin mickrige Gehälter zahlt, oder von örtlichen Wucherern, die ihre Kunden erpressen. Die Angst und die Ausweglosigkeit sind groß, sagt Slawow, und betont, dass sich der Stimmenkauf zunächst unter den Roma ausgebreitet hat, inzwischen aber auch alle übrigen ethnischen Bevölkerungsgruppen in Bulgarien betrifft. Diese Beobachtungen macht auch der Fernsehjournalist Rossen Zwetkow. Seine Enthüllungen mit versteckter Kamera gehören inzwischen zur Wahlberichterstattung in Bulgarien. So auch am vergangenen Sonntag.

Снимка"Meine letzte Enthüllung zeigt, wie man sich nicht nur Wählerstimmen kauft, sondern gleich einen Vorsitzenden der Wahlkommission in einem Wahllokal. Das ist also derjenige, der die freie Wahl garantieren soll. Für Geld ist er aber bereit, sich an der Wahlmanipulation zu beteiligen. In meiner Arbeit habe ich Manipulationen von absolut allen Parteien aufgedeckt. Es gibt keine einzige Partei in Bulgarien, die nicht mitmacht. Alle sitzen im gleichen Boot, denn sie wissen, wenn sie keine Stimmen kaufen, bleiben sie auf der Verliererseite", kommentiert Rossen Zwetkow.

Dem Enthüllungsjournalisten ist aufgefallen, dass der Preis in diesem Jahr deutlich nach unten gegangen ist. Während man früher bis zu 100 Euro pro Stimme gezahlt hat, waren es diesmal nur 25 Euro. "Offensichtlich sparen die Parteien ihr Geld und bereiten sich auf Neuwahlen vor", kommentiert Rossen Zwetkow.

Fotos: BGNES




Последвайте ни и в Google News Showcase, за да научите най-важното от деня!

mehr aus dieser Rubrik…

Die politische Saga in Bulgarien – für Ausländer verständlich gemacht

Die vor neun Monaten vereinbarte Rotation zwischen Premierminister und Vizepremier steht möglicherweise vor dem Scheitern. Besagte Rotation zwischen NikolajDenkow und Maria Gabriel sollte bereits am 6. März erfolgen. Aber die zu spät begonnenen..

veröffentlicht am 21.03.24 um 13:55
„Wir wollen, dass es eine Regierung gibt, die Frage ist, wie wir die Kurve kriegen, nach allem, was von beiden Seiten gesagt wurde“, sagte der GERB-Vorsitzende Bojko Borissow

Entschuldigung ist der Weg zur Fortsetzung der Regierungsverhandlungen

Bulgarien befindet sich in einem komplizierten politischen Moment, in dem der erste Rotation in der Regierung, die vor 9 Monaten bei der Bildung des Kabinetts von Nikolaj Denkow vereinbart wurde, umgesetzt werden muss. Gestern, den 19. März,..

veröffentlicht am 20.03.24 um 12:29

Blickpunkt Balkan

Nationalismus stellt Bedrohung für westliche Balkanstaaten dar Laut dem jährlichen Bericht der US-Geheimdienste über die Bedrohungslage in den westlichen Balkanstaaten könnte sich das Risiko interethnischer Gewalt in diesem Jahr..

veröffentlicht am 15.03.24 um 13:09