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Regierungsverhandlungen - ein Seiltanz zwischen Arithmetik und Politik

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Toma Bikow (l.) und Dr. Boris Popiwanow (r.)
Foto: BGNES

Die Sondierungsgespräche der aus den Neuwahlen am 5. Oktober als stärkste politische Kraft hervorgegangenen GERB-Partei mit den anderen Parlamentskräften haben keine eindeutige Antwort auf die Zusammensetzung der künftigen Regierung gegeben. In der laufenden Woche steht die zweite Verhandlungsrunde auf dem Programm - auf Vorstandsebene mit dem rechtsliberalen Reformblock, mit den Nationalisten der Patriotischen Front und beiden sozialdemokratischen Formationen BSP und ABV.

Ohne offizielle Ankündigung sind am Dienstagabend die Parteivorstände von GERB und dem Reformblock unverhofft zusammengekommen. Das Ergebnis ist eine Annäherung der Standpunkte zur Unterzeichnung einer Koalitionsvereinbarung. Man geht davon aus, dass die Patriotische Front vermutlich der dritte Juniorpartner in der Regierung sein wird, die so über 126 Parlamentsstimmen und damit über die erforderliche parlamentarische Mehrheit von mehr als 121 Stimmen verfügen würde. Auch rechnet man mit der "lagebedingten parlamentarischen Rückendeckung" durch die sozialdemokratischen Formationen BSP und ABV, was die künftigen Verhandlungen zeigen werden. Damit hätten die restlichen Parlamentsparteien DPS, Ataka und "Bulgarien ohne Zensur" keinen Einfluss auf die vom Parlament zu verabschiedenden Beschlüsse. Die realistischste Variante sei eine Regierungskoalition aus GERB, dem Reformblock und der Patriotischen Front, meint Toma Bikow vom Institut für rechtsliberale Politik.

"Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Koalitionsvariante zum Tragen kommt", fährt Toma Bikow fort. "Das Problem liegt in der Instabilität einer solchen Regierungskoalition. Zusammengerechnet hätte sie 126 Stimmen, d.h. mehr als die erforderliche Mehrheit von 121 Stimmen. Allerdings muss man dabei in Betracht ziehen, dass der Reformblock und die Patriotische Front Wahlbündnisse aus mehreren Parteien sind, woraus sich, was die Unterstützung der Regierung durch die Abgeordneten der einzelnen Parteien betrifft, Probleme ergeben könnten. Ich bin mir sicher, dass derzeit jede Regierung, unabhängig von ihren Koalitionspartnern, mit der breiten Unterstützung des Parlaments rechnen kann. Allerdings wird diese breite Unterstützung, wenn schwierige Probleme zu lösen sind, sehr schnell schrumpfen. Falls es erneut Neuwahlen gibt, sollten diese meiner Ansicht nach besser so schnell als möglich, d.h. im Januar oder Februar stattfinden."

"Für mich sind all diese Sondierungsgespräche fassadenhaft, unaufrichtig und unwahr. Auch ist nicht klar, welche Befugnisse genau die Verhandlungsteams haben." Das ist der Standpunkt des Politologen Dr. Boris Popiwanow, der an der Sofioter Universität "Hl. Kliment von Ohrid" unterrichtet. "In diesem Sinne stehen die Ereignisse erst noch bevor", so Boris Popiwanow. "Bereits am Abend des Wahltags hatte GERB-Parteichef Bojko Borissow auf einer improvisierten Pressekonferenz die Richtung vorgegeben. Eine direkte Beteiligung von DPS und BSP hatte er aufgrund der ablehnenden Haltung seiner Partei von vornherein ausgeschlossen. Auch empfahl er am Abend des 5. Oktober den anderen Parteien, erst ihre Wahlergebnisse zu verinnerlichen, bevor sie ihre Ansprüche formulieren, und erklärte in diesem Zusammenhang, dass das `schlimmste Szenario`, nämlich erneute Wahlen durchaus realistisch sei. Diese könnten sich für die kleinen Parteien als harter Brocken erweisen, da nicht sicher ist, ob sie erneut ins Parlament einziehen würden. Falls die Metapher stimmt, die in den Reihen des Reformblocks die Runde macht, dann stimmt auch, dass die GERB-Partei versuchen könnte, den kleinen Parteien damit Zugeständnisse abzuringen."

Übersetzung: Christine Christov



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