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Warum Syriza/Podemos in Bulgarien unmöglich ist

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Foto: EPA / BGNES

Syriza, die radikale Linke in Griechenland, hat die Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag erwartungsgemäß gewonnen und in Europa sträubt man sich nun die Haare vor der angekündigten radikalen Wende der neuen Regierung in Athen. Der Wahlsieg von Alexis Tsipras wird sicherlich auch Wasser auf die Mühlen der spanischen Podemos-Partei gießen – auf der iberischen Halbinsel stehen in diesem Jahr Parlamentswahlen bevor und Podemos führt in den Umfragen. Dieser Linksruck in beiden Ländern der EU-Südflanke folgte wochenlanger Proteste entrüsteter Bürger gegen die sozialen Einschnitte, die unerträglich hohe Arbeitslosigkeit und die Erpressung der Banken. Alles Voraussetzungen, die auch Bulgarien erfüllt, um sich diesem Linksruck anzuschließen. Er wird aber – Gott sei Dank oder Gott bewahre – nicht stattfinden.

Auf dem ersten Blick leben die Bulgaren seit Jahren unter den besten Bedingungen für das Aufkommen einer radikalen Linken – erbärmliche Löhne und Gehälter und noch erbärmlichere Renten, Korruptionswillkür in allen Bevölkerungsschichten und eine auf der Stelle tretende Wirtschaft. Ein Paradies auf Erden für jeden Linksradikalen, würde man meinen. Die Spielregeln werden in Griechenland von der Troika aus Europäischer Union, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds diktiert. Und Bulgarien wurde bereits nach der Wende 1989 das neoliberale Wirtschaftsmodell des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank aufgezwungen. Und während sich Griechen und Spanien wochenlang gewehrt haben, blieb es auf Bulgariens Straßen in all den Jahren ruhig.

Derzeit erübrigt sich die Linke hierzulande mit der ehemaligen kommunistischen Partei BSP, der sich von den Sozialisten abgespaltenen ABW-Bewegung, die heute Koalitionspartner in der konservativen Regierung ist, und natürlich mit der lautstark schreienden populistischen Ataka-Partei. Mehr noch – just die Sozialisten haben die ultraliberale Flat tax durchgeboxt und mit der zehnprozentigen Körperschaftssteuer reiht sich Bulgarien heute neben exotischen Steueroasen ein. Außer für ein paar jämmerlichen Erhöhungen der Renten und des Mutterschaftsgeldes hat sich die bulgarische Linke sonst für nichts eingesetzt, um die soziale Lage der Menschen zu verbessern.

Vor dem Hintergrund des sozialen Desasters in einem Land, das mehrfach ärmer als das quengelnde Griechenland ist, erkennt man am Horizont keinen Schimmer von bürgerlichem Unmut, die eine neue Partei wie Syriza oder Podemos aus der Taufe heben könnte. Alexis Tsipras gewann die Wahlen in Griechenland mit utopischen Versprechen eines radikalen Schuldenschnitts, von der Schaffung 300.000 neuer Arbeitsplätze, einer 13. Rente und vom Schutz der leidenden Kreditnehmer. Fern ab von diesem populistischen Wahlprogramm hat aber die neue Regierung in Athen die Chance, die Korruption zu bekämpfen und die Steuereinnahmen zu erhöhen, insbesondere aus den vollgestopften Taschen der Oligarchen. Das trifft auch für Bulgarien zu, wobei es sich dabei weniger um eine linke oder rechte Politik handelt, sondern viel mehr um eine funktionierende Justiz. Und noch etwas – seit der Wende gab es in Bulgarien vereinzelte Bürgerproteste (nicht dass es an Gründen dafür gefehlt hat). Ob sie mit Erfolg gekrönt wurden, ist fraglich. Sicher ist, dass nicht einmal die klägliche Armut und die allumfassende Korruption die Bürger in diesem Land aus dem Dornröschenschlaf wecken können, geschweige denn, den Weg für eine neue politische Formation zu ebnen.



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