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Der Hirsch in der Volksmythologie

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Die natürlichen Lebensräume der Hirsche umfassen weite Teile Eurasiens, wie auch Amerikas und den westlichen Teil Nordafrikas. Seit frühesten Zeiten ist der Mensch mit ihnen in Berührung gekommen – die Hirsche waren ein begehrtes Jagdwild und fanden so auch Eingang in die Mythologie und Kultur verschiedenster Völker. Hirsche entdecken wir auf steinzeitlichen Felszeichnungen, wie auch auf Alltags- und Kultgegenständen; es fehlen nicht Kleinplastiken; überliefert sind die verschiedensten Sagen und Legenden. Der Hirsch tritt uns als Symbol der Sonne entgegen, begleitete Schamanen auf ihrer Reise ins Jenseits, oder wurde als heiliges Tier verehrt.

Und so erfreute sich der Hirsch auch in der bulgarischen Folklore eines hohen Ansehens. Laut den Vorstellungen unserer Vorfahren bewohnt er unzugängliche Gebirgswälder und trinke von unberührten Quellen, an denen auch Feen, Drachen und allerlei andere mythische Gestalten hausen. Der Hirsch gilt als ihr Freund. In einigen Volksliedern wird beschrieben, wie Feen, gekleidet in Regenbogen, geflügelte Hirsche reiten. In ihren Händen würden sie Bogen und Pfeile aus Gold tragen, während als Zaumzeug Schlangen dienen würden.

In einigen bulgarischen Märchen werden mythische Hirsche mit dem Beinamen „Sur“ erwähnt. Dieses Wort verwendet man bis heute auch in Verbindung mit dem neuen Jahr, zu dem man sich viel Glück wünscht. Eine klare Deutung dieses Worts gibt es aber nicht – es ist naheliegend, dass es indoeuropäischen Ursprungs ist, denn im Sanskrit steht das Wort „Surya“ für Sonne, Wärme und Licht. Demzufolge wünscht man sich also ein „sonniges“ Jahr und der Hirsch erscheint als „Sonnen“-Hirsch.

Diese Symbolik wird von einigen Liedern der Weihnachtssänger bestätigt. Der Hirsch, der dort besungen wird, trägt auf der Stirn eine strahlende Sonne; auf seiner Brust würde der Mond glänzen und auf seinem Rücken die Sterne. In einigen Liedern, die sicher noch aus heidnischer Zeit stammen und nach der Annahme des Christentums der neuen Religion angepasst wurden, wird das neugeborene Christuskind mit einem Hirsch verglichen: „Der junge Gott wurde geboren, gleich dem Sonnen-Hirsch mit goldenen Hörnern und silbernen Hufen.“ Die Geburt Christi ersetzte den älteren Kult in Verbindung mit der Wintersonnenwende, an dem die Wiedergeburt der Sonne gefeiert wurde.

In einigen Überlieferungen heißt es, dass der Hirsch ein Diener Gottes sei. Manchmal würde Gott Engel und Heilige entsenden, die auf der Erde in Gestalt von Hirschen erscheinen. Daher galt den Bulgaren der Hirsch als heilig und keiner durfte diesen Tieren ein Leid antun. Es gibt aber auch Legenden, die von Tieropfern berichten. So sei alljährlich an einem großen Kirchenfest ein Hirsch aus dem Gebirge gekommen und habe sich als Opfertier zu erkennen gegeben. Einmal habe sich das Tier jedoch verspätet und sei zur Opferstätte ausgezehrt und ermüdet erschienen. Die Menschen hätten jedoch nicht gewartet, bis sich das Tier erholt und hätten es sofort geopfert. Seitdem sei der Hirsch nicht mehr erschienen und die Menschen hätten von da an statt des Hirsches einen Bullen oder Schafsbock schlachten müssen.

Erzählt wird auch ein Märchen, in dem beschrieben wird, wie auf göttliche Fügung oder Magie ein Mensch in einen Hirsch verwandelt wird. So verwandelt sich ein Bursche in einen Hirsch, nachdem er Wasser aus einer Hirschfährte trank. Später wurde er wieder zurück in einen Menschen verwandelt, nachdem man ihn mit Wasser übergoss, das sich ebenfalls in einer Hirschfährte angesammelt hatte.

Einst schrieb man dem Hirschgeweih magische Kräfte zu. Unsere Vorfahren sammelten die abgestoßenen Geweihe und hängten sie zu Hause auf, im Glauben, sie würden das Böse von Haus und Hof fernhalten. Zerriebenes Geweih, das einem Getränk beigemischt ist, würde wiederum gegen Verwünschungen und Angstzustände helfen. In den Klöstern hingegen schnitzten die Mönche aus Hirschhorn Medaillons in Kreuzform, die nicht nur als Andenken begehrt waren - man schrieb ihnen besondere Kräfte zu.

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow



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