Zum ersten Mal verletzte die Stiftung „Biovielfalt“ eine Jahrzehnte lange Tradition und erklärte 2015 nicht zu einem Jahr einer bedrohten Pflanzen- oder Tierart, sondern gleich eines speziellen Territoriums – den Atanassow-See in der Nähe der Schwarzmeerstadt Burgas. Zur Popularisierung dieses Gebiets hat man eine Reihe von Initiativen geplant, darunter ein Karneval der Biovielfalt, ein Salz-Festival, der Bau von Hochständen zur Vogelbeobachtung und das Anlegen verschiedener Wanderwege. Was ist das Besondere an der Lagune des Atanassow-Sees, fragten wir Radostina Zwetkowa von der Stiftung „Biovielfalt“:
„Die Vögel sind die bemerkenswertesten Bewohner des Sees. Mit jedem Jahr werden mehr Arten registriert, die hier nisten oder sich aufhalten, denn der See liegt auf der Migrationsrute Via Pontica. Mittlerweile wurden 333 Arten gezählt. Zum Vergleich: in ganz Bulgarien sind 420 Vogelarten anzutreffen. Gerade diese Mannigfaltigkeit an einem Ort zieht die Vogelliebhaber aus aller Welt an. Ende September können beispielsweise große Schwärme an Pelikanen und Störchen, wie auch Greif- und Singvögel beobachtet werden. Übrigens ist im Herbst die Migration stärker ausgeprägt. Bemerkenswert sind aber auch die örtlichen Seebewohner, darunter der Säbelschnäbler (Recurvirostra avosetta) und der Seeregenpfeifer (Charadrius alexandrinus). Eine Besonderheit ist, dass sie direkt auf dem Boden nisten und nicht auf den Bäumen, so dass wir darum bemüht sind, gute Nistmöglichkeiten zu schaffen.“
Der Atanassow-See wartet jedoch auch mit anderen bemerkenswerten Dingen auf. So besitzt er einen hohen Salzgehalt, der eine Salzgewinnung rentabel macht, die man landläufig als „weiße Ernte“ bezeichnet.
„Die „weiße Ernte“ beginnt Anfang August, wenn das Meereswasser am schnellsten verdunstet und kristallines Salz zurücklässt“, erzählt uns Radostina Zwetkowa. „Das Salz wird hier nach althergebrachter Tradition von Hand gewonnen. Seit einigen Jahren hat man sich die Arbeit etwas erleichtert und nutzt Förderbänder, mit denen das Salz zu große Haufen aufgeworfen wird. Diese werden auf besondere Art gestaltet, damit der Regen das Salz nicht wegschwemmen kann. Die Arbeit in den Salinen ist sehr schwer; es bleibt aber zu hoffen, dass dieses traditionelle Handwerk erhalten bleibt. Im vergangenen Jahr wurde wegen des schlechten Wetters fast kein Salz produziert – in diesem Jahr, das trockener ausfallen soll, könnten wieder 50.000 Tonnen Salz gewonnen werden. Nebenprodukte der Salzgewinnung sind die Lauge und der Schlamm. Die Schwarzmeersalinen AG hat einige Bassins mit Salzlaugenwasser eingerichtet, die zu Heilzwecken dienen. Der Salzgehalt ist darin so hoch, dass man wie im Toten Meer nicht untergehen kann. Der Schlamm seinerseits hat ebenfalls Heileigenschaften. Es ist wichtig, die Salzgewinnung in der Lagune des Atanassow-Sees aufrecht zu erhalten, weil dadurch geeignete Lebensräume für die örtliche Flora und Fauna aufrechterhalten und zudem Gewinne erzielt werden können. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass Business und Naturschutz Hand in Hand gehen können.“
Eine optisch sehr reizvolle Erscheinung sind die Purpur-Farben, in denen die Lagune schillert. Dazu Radostina Zwetkowa von der Stiftung „Biovielfalt“:
„Diese Farben sind auf die Salzgewinnung zurückzuführen, weil die kräftigsten orange-roten Töne dort erscheinen, wo das Salz auskristallisiert. Gerade in den Sommer- und Herbstmonaten, wenn das Salz gewonnen wird, werden auch die Farben intensiver. Dieses ungewöhnliche Kolorit ist Teil der Magie des Atanassow-Sees.“
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: bbf.biodiversity.bg
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