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Errol Rackipov oder die Vibrationen einer bulgarischen Melodie jenseits des Großen Teichs

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Foto: errolrackipov.com




Es gibt Melodien, von denen wir das Gefühl haben, dass sie in der Ewigkeit geboren worden sind. Sie sind es jedoch nicht. Einige von ihnen verlassen den Ort und die Zeit ihrer Entstehung und begeben sich auf eine lange Wanderschaft, bei der sie die Epoche, für die sie geschaffen wurden, hinter sich lassen. In einigen Fällen geschieht das mit Hilfe des Jazz.

Joaquín Rodrigo schrieb im Jahre 1939 sein Solokonzert für Gitarre und Orchester „Aranjuez“. Dieses wunderbare Werk wurde jedoch erst 20 Jahre später bekannt und zwar jenseits von Spanien des Diktators Franco und zwar Dank Miles Davis.

Ein ähnliches Schicksal ereilte ein bulgarisches Lied aus der Mitte der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, das man fälschlicher Weise ähnlich wie „Aranjuez“ als traditionelle Musik einstuft. Dieses Lied erhielt einen ideologischen Beigeschmack, auch wenn es die gewöhnlichen Menschen in geselliger Runde am Tisch singen. Das machte jedoch das Lied nicht außerhalb der bulgarischen Landesgrenzen bekannt. Das geschah ein halbes Jahrhundert später Dank eines Jazz-Albums, das die empfindsamen Seiten der US-amerikanischen Kritik in Schwingungen versetzte. Der Interpret ist Errol Rackipov, Perkussionist von Beruf.

Das Vibraphon ist nur eines seiner Instrumente – er spielt auch Marimba und die Große Trommel. Sein jüngst erschienenes Album „Pictures from a train window“ lässt drei bulgarische und drei amerikanische Musiker eine Reise antreten. Für Errol begann diese Reise eigentlich vor vielen Jahren, lange bevor er das Titelstück dieses Albums schrieb. Als Schüler der Musikschule in Sofia hörte er Aufnahmen des unübertroffenen US-amerikanischen Jazz-Vibraphonisten Gary Burton.

Wenn man ihn hört, ist man drauf und dran zu verzweifeln und will alles hinschmeißen – mich packte hingegen der Ehrgeiz“ erinnert sich Errol Rackipov. Sein Musikprofessor erkannte sein Musiktalent und schrieb Gary Burton an – so wurde dem jungen Errol eine Weiterbildung am „Berklee College of Music“ in Boston ermöglicht. „Ich bekam eine Gänsehaut, als mir Prof. Paliew sagte, dass er mir nichts mehr beibringen könne und mich deshalb zu den Besten schickt.“

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Es vergingen viele Jahre bis sich Errol Rackipov ein Herz fasste und zu schreiben begann. Das geschah in Miami, wo er seinen Master machte. Auf dem Notenpapier erschien seine Reise von Bulgarien nach Florida und so entstand „Pictures from a train window“. In der Zwischenzeit hatte Errol an der Westküste einen Landsmann kennengelernt – den Gitarristen Christo Witschew, den er als „auf europäische Weise lyrisch“ bezeichnet. Zusammen mit dem Klarinettisten und Saxophonisten Ljubomir Gospodinow kamen dann jene schwierigen, jedoch mit Sicherheit guten Vibrationen auf.

Wegen der am Projekt beteiligten drei US-amerikanischen Musiker halten sich die so gefürchteten ungeraden bulgarischen Taktarten in Grenzen. Dafür aber haben die Stücke einen kräftigen Schuss Humor erhalten, an dem es Errol Rackipov in keiner Weise fehlt. Davon zeugt nicht nur das eingefügte zweite „R“ in seinem Vornamen, mit dem er an den farbigen Musiker Erroll Garner erinnern will, sondern auch die Neudeutung etlicher anderer Musiktitel. So z.B. wird aus dem Stück „Dschore Dos“ – „Mad Djore“ und aus dem Mädchen namens Dilmana, das Paprika pflanzt, ein „Dill Man“.

Die Geschichte des Schluss-Stücks ist hingegen ergreifend. Der Autor, Dimitar Janew, hörte die Demo-Version kurz vor seinem Tod und überließ den jungen Musikern die Autorenrechte mittels Errols Vater, der ihn besuchte. Über Janew schrieb der Kritiker Chris Mosey: „Um gerecht zu sein muss man zugeben, dass sein Stück ein wahres Jazz-Standardwerk ist“. Wie schätzt Errol solche Bewertungen ein?

Dimitar Janew hätte sich über solche Worte sicher sehr gefreut. Es gibt keinen, der dieses Stück nicht in sein Herz geschlossen hat. Die Kombination aus Gitarre, Vibraphon und Klarinette ist sehr ungewöhnlich. Sicher hat uns, drei Bulgaren etwas auf unerklärliche Weise zusammengeführt...

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow



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