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Schulsport? Gibt’s denn überhaupt noch so einen?

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Foto: Archiv

„Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper“ – diese noch aus der Antike stammende Redewendung prangte bis noch vor wenigen Jahrzehnten in Großbuchstaben in fast jeder Schulsporthalle. Mit der Wende in Bulgarien vor nunmehr 25 Jahren verschwand mit allen anderen, leider aber auch diese Losung, gefolgt von den verschiedenen Turngeräten; die Schulsportolympiaden gerieten ebenso langsam in Vergessenheit. Es wurde halbwegs nur noch Fußball gespielt. Mit dem neuen Anfang in der Gesellschaft warf man alles „alte“ über Bord und meinte damit etwas Gutes getan zu haben. Der Neubeginn wurde sogar ein ständiger Begleiter der Politik – mit jeder neuen Regierung fing alles von vorn an. Wir wurden zusehends „moderner, europäischer und reformierter“...

Wie es ist derzeit um den Schulsport bestellt? Im derzeit gültigen Gesetz über Körpererziehung und Sport heißt es u.a.: „Schulen können nicht ihrer Bestimmung übergeben werden, wenn gesonderte Flächen und Anlagen, geeignet zur Körpererziehung und Sportausübung, fehlen.“ In der Praxis sieht es jedoch ganz anders aus! Eine Untersuchung des Bildungsverbands der Gewerkschaft „Podkrepa“ weist aus, dass lediglich die Hälfte aller staatlichen Schulen in Bulgarien über Turnhallen verfügen. Und dort wo es dennoch solche Anlagen gibt, sind sie meist in einem desolaten Zustand, weil den Schulen einfach das Geld nicht reicht, um Geräte und Anlagen zu unterhalten. Die Sportstunden fallen dementsprechend einfach aus.

Angesichts dieser Tatsachen verwundern die Angaben des Nationalen Gesundheitszentrums in keiner Weise, dass fast zwei Drittel aller Kinder und Jugendlichen Wirbelsäulenkrümmungen aufweisen. Fast ein Fünftel (18,9%) aller Jungs der 1. bis 4. Klasse sind übergewichtig; bei den Mädchen der gleichen Altersgruppe trifft das auf ein Sechstel (16,5%) zu; fettleibig sind etwas mehr als ein Zehntel. Diese erschreckenden Zahlen nannte der Minister für Jugend und Sport Krassen Kralew auf einer nationalen Konferenz, die den Reformen in Bildung und Wissenschaft gewidmet war. Der Minister kündete an: „Wir sind im Namen der Gesundheit der Kinder zum Kampf bereit!“ und schlug Veränderungen im bestehenden Gesetz über die Vorschul- und Schuldbildung vor. Ferner meinte Minister Kralew: „In ganz Europa versucht man die Sportstunden attraktiver zu gestalten, indem man professionelle Trainer einlädt. Diese Praktik hat sich in Ländern wie Deutschland, Holland, Belgien, Tschechien, Ungarn und Polen bewährt.“ Laut dem Minister für Jugend und Sport hätten die heimischen Sportverbände mit Begeisterung auf diese Idee reagiert.

Diese Initiative des Ministeriums weckt Hoffnungen, lässt aber auch viele Fragen aufkommen. Wie sollen diese professionellen Trainer ihre Sportstunden durchführen, wenn es doch an der nötigen materiellen Basis fehlt?! Was für Honorare sind für sie vorgesehen? Wird sich diese Initiative einzig auf die Großstädte beschränken und werden nicht auf diese Weise die kleinen Gemeinden diskriminiert? Handelt es sich bei dieser Initiative um ein Konzept zur Entwicklung des organisierten Massensports, oder soll sie nur Sand in die Augen der Bürger streuen? Sollte man nicht zuerst Mittel, so bescheiden sie auch sein mögen, in die materielle Basis investieren? Es sollten vielleicht erst mal ordentliche Sportlehrer eingesetzt werden und nicht die Sportstunden durch Musik- und Mathematiklehrer vertreten lassen, nur damit sie ihr Stundenmaß erfüllen. Das Ministerium für Jugend und Sport müsste sich eigentlich zuerst an die Lehrer wenden, die tagtäglich mit den Problemen konfrontiert werden und um die körperliche Ertüchtigung der Kinder ernstlich besorgt sind. Sie würden sicher mit Rat und Tat zur Seite stehen!

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow



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