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Demokratie – ja, aber nicht wie in Bulgarien

Georgi Stojtschew
Foto: BGNES

Die Bulgaren sehen keine Alternative zur Demokratie und auch keine zur Europäischen Union. Sie sind aber zum überwiegenden Teil mit der Art und Weise unzufrieden, auf der die demokratischen Institutionen hierzulande funktionieren. Große Bevölkerungsgruppen fühlen sich vom öffentlichen Leben isoliert und meinen, dass sie in den kommunalen und zentralen Vertretungen keine Repräsentanten haben. Das zeigen die Daten einer Meinungsumfrage, die im März und April dieses Jahres vom Institut „Open society“ durchgeführt wurde.

Die Mehrheit der Befragten, rund 52 Prozent, meinen, dass die Demokratie die beste Form der Verwaltung ist. Der gegenteiligen Meinung sind rund 20 Prozent“, erklärt der Geschäftsführer der bulgarischen Vertretung von „Open Society“ Georgi Stojtschew. „Diejenigen, die eine positive Einstellung zur Demokratie haben, bilden die Mehrheit unter den Sympathisanten aller politischen Parteien, mit Ausnahme der Bulgarischen sozialistischen Partei. Auf die Frage, welche Staaten man sich hier zum Vorbild nehmen sollte, weil dort die Verwaltung am besten organisiert ist, nennt die Mehrheit der Befragten an erster Stelle Deutschland (40 Prozent), gefolgt von der Schweiz und Großbritannien mit jeweils 14 Prozent. Nur 6 Prozent würden sich Russland zum Beispiel nehmen und 2 Prozent – China."

Ein Plus für die Demokratie in Bulgarien zur Zeit ist die Überzeugung der überwiegenden Mehrheit der Teilnehmer an der Umfrage, dass sie ihre demokratischen Grundrechte frei und uneingeschränkt nutzen können:

Es bestehen aber auch Ausnahmen, einige Bevölkerungsgruppen haben das Gefühl, dass ihre Grundrechte eingeschränkt sind“, sagt Georgi Stojtschew weiter. „Doppelt so viele Bulgaren im öffentlichen Dienst befürchten, dass sie ihre Arbeit verlieren könnten, wenn sie sich kritisch zur Regierung äußern, als diejenigen, die im Privatsektor beschäftigt sind. Bestimmte Bevölkerungsgruppen haben stärkere Befürchtungen, dass sie abgehört werden könnten oder dass staatliche Dienststellen widerrechtlich gegen sie vorgehen könnten. Die Angst, abgehört zu werden, ist in Sofia wesentlich höher als im Rest des Landes. 42 Prozent der Hauptstädter meinen, dass die Polizei ihre Telefongespräche abhören könnte. Im Landesdurchschnitt liegt dieser Wert wesentlich niedriger – bei 28 Prozent.

Interessant sind auch die Einstellungen der Befragten gegenüber verschiedenen Formen der Diskriminierung. Ganze 70 Prozent sagen, dass sie bei gleichen anderen Bedingungen nicht für einen Bürgermeisterkandidaten stimmen würden, der ein Roma ist, 66 Prozent würden nicht für ihn stimmen, wenn er homosexuell oder transsexuell ist und 62 Prozent, wenn er ein bulgarischer Türke ist. 80 Prozent sagen aber aus, dass sie bei gleichen anderen Bedingungen lieber eine Frau als Bürgermeister sehen würden als einen Mann. Dieser Anteil sinkt aber um 12 Prozent unter den bulgarischen Türken und sogar um 30 Prozent unter den Roma.

Die Umfrage hat bedeutende Defizite beim richtigen Funktionieren der Demokratie festgestellt. 80 Prozent erklären, dass sie sich in keiner Form organisiert am öffentlichen Leben beteiligen. Diese, die es doch tun, sind zumeist in Parteien, Gewerkschaften oder NGOs organisiert. Das sind aber nur rund 10 Prozent, was weitab von der Regel in den entwickelten europäischen Demokratien liegt“, sagt Georgi Stojtschew.

Interessant ist auch, dass etwa die Hälfte der Befragten aussagt, dass sie dem Parlamentsabgeordneten ihres Wahlkreises nicht vertraut. Das Gleiche gilt auch für die Gemeinderäte.

Eine der Hauptschlussfolgerungen der Umfrage ist, dass die bulgarische Demokratie Schwierigkeiten in Bezug auf die Oberhoheit des Gesetzes hat“, sagt weiter Georgi Stojtschew. „77 Prozent meinen, dass die Gesetze in Bulgarien nicht gleich für alle angewendet werden. 69 Prozent erklären, dass die Gesetze für sie nicht klar und verständlich formuliert sind und 58 Prozent – dass die Gesetze ungerecht sind. Wenn die Bürger nicht an die Gerechtigkeit der Justiz glauben und die Texte der Gesetze nicht verstehen, dann ist es wirklich sehr schwer, eine Rechtskultur aufzubauen und die Oberhoheit des Gesetzes zu gewährleisten“, so der Geschäftsführer der bulgarischen Vertretung von „Open Society“ Georgi Stojtschew abschließend.

Übersetzung: Petar Georgiew



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