Anfang dieser Woche wurde klar, dass im April kommenden Jahres in Mazedonien vorgezogene Parlamentswahlen stattfinden werden. Die Nachricht kam nach einem Treffen des mazedonischen Premiers Nikola Gruevski mit den Vorsitzenden der wichtigsten politischen Parteien im Land. Die Konsultationen zwischen ihnen fanden im Beisein des EU-Erweiterungskommissars Johannes Hahn statt. Die Intervention Brüssels erfolgte auf Initiative von Deutschland und mit Unterstützung Bulgariens und der Niederlande. Der Beschluss von Skopje soll bei einem neuen Treffen der Spitzenpolitiker in Brüssel präzisiert werden, das für kommende Woche angesetzt ist. Die veränderte Situation in Mazedonien war Anlass für eine von Radio Bulgarien initiierten Diskussion.
Nach Meinung von Ljubomir Kjutschukow, Direktor des Instituts für Wirtschaft und internationale Beziehungen, hatte die Erklärung des Präsidenten der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker, dass die EU-Erweiterung bis 2020 ausgesetzt wird, einen stark demoralisierenden Effekt auf die Balkanstaaten gehabt hat.
„Johannes Hahn hat mit den Vorsitzenden der führenden politischen Parteien in Mazedonien vereinbart, dass dabei die Instrumente zum Einsatz kommen, die die Europäische Kommission bei den Verhandlungen mit jedem Beitrittskandidaten zu den heikelsten Verhandlungskapiteln benutzt – die Oberhoheit des Gesetzes und die Pressefreiheit.“ Das erklärte der Journalist Kostadin Filipow, der lange Jahre Korrespondent in Skopje war. „Mit der Entsendung von Johannes Hahn als Vermittler gibt die EU möglicherweise ein Zeichen, dass die EU-Perspektive Mazedoniens weiterhin besteht“, sagte er weiter.
Bei der Diskussion wurde klar, dass die Beziehungen zwischen Bulgarien und Mazedonien sich nicht als ein Wettbewerb im patriotischen Reden gestalten dürfen und dass sie nicht mit politischen Emotionen und ideologischen Schatten aus der Vergangenheit belastet werden dürfen. Es wurde auch die positive Wirkung des gemeinsamen Begehens von gemeinsamen Jahrestagen historischer Ereignisse als gutes Signal für die Schaffung eines besseren Klimas für die Kommunikation zwischen den Menschen und den Institutionen in den beiden Ländern unterstrichen.
„Wir haben eine Tradition wiederhergestellt – die gemeinsame Feier des Tages der Heiligen Brüder Kyrill und Method am 11. Mai, wie es nach dem alten, dem Julianischen Kalender ist“, sagte Prof. Dr. Swetlozar Eldyrow vom Institut für Balkanistik der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften. „In diesem Jahr geschah das zum zweiten Mal. Dabei habe ich meine mazedonischen Kollegen persönlich kennen gelernt, die ich bis dahin nur von ihren wissenschaftlichen Monographien her kannte, wie es auch umgekehrt der Fall war. Wir haben rein menschliche Beziehungen aufgebaut und diese wiederum helfen den wissenschaftlichen Kontakten. Die bulgarische Geschichtswissenschaft hat sehr tiefe Traditionen und wenn wir unsere Werke dorthin tragen, lassen wir unseren mazedonischen Kollegen weniger Platz zum manövrieren. Wir dürfen natürlich nicht erwarten, dass wir auf diese Weise ihr nationales Bewusstsein verändern, denn die Prozesse in dieser Beziehung sind schon unumkehrbar. Je mehr Kontakte aber zu Mazedonien geknüpft werden, desto besser. Etwa ein Drittel aller Bulgaren hat mazedonische Wurzeln, ich gehöre auch dazu“, so Prof. Eldyrow.
Bei der Diskussion wurde auch betont, wie gut es wäre, wenn der von bulgarischer Seite schon im Jahr 2008 vorgeschlagene Vertrag über Gutnachbarschaftsbeziehungen endlich unterzeichnet wird und die in der gemeinsamen Erklärung der Premierminister der beiden Länder von 1999 dargelegten Prinzipien der bilateralen Beziehungen weiterentwickelt werden.
„Leider haben wir von der mazedonischen Seite sehr lange Zeit noch keine Antwort erhalten“, sagte Ljubomir Kjutschukow, der seinerzeit als stellvertretender Außenminister der Autor des Vertragsentwurfes war. „Dann wurde die Idee auch von der bulgarischen Seite vergessen. Nachdem sie wieder an die Tagesordnung kam, wurde sie wiederum von einem Instrument für die Entwicklung der bulgarisch-mazedonischen Beziehungen zu einer Bedingung in den Verhandlungen. Es ist aber sehr wichtig, dass sich parallel dazu die bilateralen Beziehungen auf allen Ebenen entwickeln – einschließlich im wirtschaftlichen Bereich und im Bereich der Kultur. Bulgarien hat ein großes Interesse daran, wie auch an einer Stabilisierung Mazedoniens und der gesamten Balkanregion. Bulgarien übernimmt jetzt den Vorsitz des Südosteuropäischen Kooperationsprozesses und dabei muss diese Stabilisierung höchste Priorität haben. Es muss auch die Politik der Europäischen Union in Bezug auf die Erweiterung neu überdacht werden. Bulgarien könnte also auch in der EU aktiv werden. Wir haben ausreichend Instrumente, um sowohl für die Stabilität Mazedoniens als auch für unsere eigenen Interessen zu arbeiten“, sagte der Direktor des Instituts für Wirtschaft und internationale Beziehungen Ljubomir Kjutschukow abschließend.
Übersetzung: Petar Georgiew
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