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Von wegen Solidarität

Foto: Bulfoto

Der Internationale Flüchtlingstag am 20. Juni war Anlass für zahlreiche Diskussionsrunden, Pressemitteilungen diverser Regierungsstrukturen und sonstige Veranstaltungen. Alle mit dem gleichen Unterton: Bulgarien ist von der Flüchtlingskrise betroffen, aber das Land arbeite daran, das Problem zu lösen und sei mit Griechenland und Italien solidarisch.

Innenministerin Rumjana Batschwarowa sprach in Luxemburg das aus, was wir alle schon vorher wussten – Bulgarien unterstützt die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Flüchtlingsquoten. „Wir müssen uns solidarisch zeigen und wissen ganz genau, dass es auch uns treffen könnte“, argumentierte die Innenministerin. Im Klartext heißt das, dass das kleine Bulgarien neue 572 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien aufnehmen wird.

Von wegen Solidarität, riefen lautstark oppositionelle Politiker. Denn Bulgarien sei als EU-Außengrenze einem unermesslichen Flüchtlingsdruck ausgesetzt und solle noch heute die Solidarität der Union fordern, nachdem allein in den ersten fünf Monaten des Jahres mehr als 6.000 Flüchtlinge Zuflucht in Bulgarien gefunden haben. Es handelt sich hauptsächlich um Syrer, die über die benachbarte Türkei und Bulgarien auf dem Weg nach Westeuropa sind. Die Aufnahmekapazitäten Bulgariens sind längst erschöpft.

Beim EU-Innenministertreffen in Luxemburg betonte Batschwarowa immerhin, dass für Bulgarien die gleichen Voraussetzungen gelten, wie auch für Italien und Griechenland – alle drei Länder sind wegen ihrer geografischen Lage eine Anlaufstelle für Flüchtlinge aus Gebieten, wo die Konflikte andauern, und sind deshalb anfälliger für Flüchtlingskrisen im Vergleich zu EU-Mitgliedsländern in Mittel- und Nordeuropa. Diese Haltung der bulgarischen Regierung ist schwarz auf weiß festgehalten. Na und?

Derweil in Europa: Frankreich hat seine Grenze zu Italien geschlossen. Ungarn bereitet sich auf den Bau eines Stacheldrahtzauns an der Grenze zu Serbien. Andere Länder riegeln sich auch ab. Gegen das Quotenprinzip wird heftig protestiert. Für die Neonazis europaweit – ein Segen Gottes!

Ob die Flüchtlingsquoten eine Entspannung bringen, bleibt abzuwarten. Es fragt sich aber auch, warum die EU-Kommission neben dem detaillierten und ausreichend argumentierten Quotenplan keinerlei Maßnahmen gegen die Schleuserbanden unternehmen will? Die Schleuser verdienen mit der Not der Flüchtlinge Millionen Euro. Sie sind gut organisiert. Wenn die EU das Flüchtlingsproblem wirklich lösen will, dann muss sie es beim Schopfe packen.

Und noch etwas. Mit der Flüchtlingswelle aus Syrien über die Türkei und Bulgarien nach Westeuropa rollen bestimmt auch IS-Kämpfer an. Einmal in europäischen Ländern integriert, warten sie ein Zeichen ab. Es bleibt zu hoffen, dass solche Mutmaßungen der Rechtsradikalen in Europa nur Hirngespinst sind.

Ein heißer Sommer steht bevor. An Bulgariens Grenze bleibt es weiter angespannt. Die Flüchtlingswelle rollt weiter. Es wäre zu naiv zu erwarten, dass die ablehnende Haltung der Bürger gegenüber den aufgedrängten Flüchtlingen sich legen würde. Gleiches gilt übrigens für das Misstrauen, das man in Bulgarien gegen den so gepriesenen Solidaritätsgedanke in der EU hegt.

Übersetzung und Redaktion: Vessela Vladkova



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