Jede Minute wird ein Mensch auf der Welt Opfer von Menschenhandel. Für den Zeitraum 2010-2012 gaben 30.000 Personen in der Europäischen Union an, auf diese Weise ausgebeutet worden zu seien. Die weltweiten Einnahmen der Trafikanten belaufen sich auf 32 Milliarden Euro jährlich. Die Statistik wird zudem durch die am Montagmorgen am Stadtrand von Sofia gefassten syrischen Bürger – einschließlich 30 Kinder und 20 Frauen – ergänzt. Ihr Ziel war Westeuropa. Die Hauptstadtpolizei nahm zudem die fünf Schlepper und den Fahrer des Lkw in Gewahrsam, in welchem die Flüchtlinge unterwegs waren.
Laut einem EU-Kommissionsbericht zählt Bulgarien zu den Mitgliedsländern mit den meisten Opfern von Menschenhandel. Nach den Worten von Kamelia Dimitrowa, Sekretär der nationalen Kommission zur Bekämpfung von Menschenhandel, werden alljährlich zwischen 500 und 550 Bulgaren in diversen EU-Staaten als Menschenhandelsopfer registriert. Knapp 80% der Opfer werden sexuell ausgebeutet. Fast alle Opfer sind Frauen.
"Seit mehreren Jahren steigt die Kapazität der Institutionen, die sich mit diesem Problem befassen, so dass die Rechtschutzbehörden und die Nichtregierungsorganisationen die Menschenhandelsopfer identifizieren können", erklärt Kamelia Dimitrowa weiter. "Nur wenige Opfer bringen den Mut auf, sich mit der Polizei und mit unserer Kommission in Verbindung zu setzen. Im vergangenen Jahr sind bei uns rund 100 Anzeigen eingegangen. Wie beispielsweise von einem Mädchen, das ich an dieser Stelle Rumi nennen will. Rumi wurde von ihrem Freund nach Österreich gebracht und zwar unter dem Vorwand, gemeinsam dort zu leben. Dann wurde sie in Wien zur Prostitution gezwungen. Geraume Zeit später setzte sich das Mädchen mit uns, mit allen Institutionen, mit den österreichischen Behörden und mit unseren Partnern von der Hauptdirektion zur Kriminalitätsbekämpfung in Verbindung. Mit der Hilfe einer Reihe von Organisationen wurde das Mädchen nach Bulgarien zurückgebracht. Anfänglich lehnte sie unsere Hilfe ab. In der Folgezeit änderte sie ihre Meinung und wurde in der Unterkunft unserer Kommission in Burgas untergebracht. Dort stehen ihr Psychologen und Sozialarbeiter zur Seite. Das Mädchen hat die mutige Entscheidung getroffen, gegen die Trafikanten auszusagen. Danach bildeten die bulgarische Hauptdirektion zur Kriminalitätsbekämpfung und das österreichische Bundeskriminalamt ein gemeinsames Team und nahmen die Ermittlungen und die Strafverfolgung auf. Das Mädchen sagte vor Gericht aus und die sechs Personen wurden wegen Menschenhandel verurteilt."
2014 ergingen in Bulgarien 92 Strafurteile wegen Menschenhandel, von denen 60% zur Bewährung ausgesetzt wurden. Die meisten Opfer werden zur Prostitution gezwungen. Aber auch die Fälle von Zwangsarbeit sind steigend, wovon zunehmend Männer betroffen sind. Laut Angaben der Kommission zur Bekämpfung von Menschenhandel ist die Zahl der Opfer von Zwangsprostitution und Zwangsarbeit nunmehr etwa gleich. Auch Kinder zählen zu den Trafikanten-Opfern. Sie werden zum Betteln und Taschendiebstahl gezwungen und machen derzeit rund 20% der identifizierten Opfer aus.
Am Montag läuft ein Sonderprojekt gegen Menschenhandel an. Finanziert wird es über den Norwegischen Finanzmechanismus. Umgesetzt wird das 16-monatige Vorhaben von der Stiftung Europäisches Institut.
"Im Rahmen des Projekts sollen knapp 200 Beamte aus den unterschiedlichsten Bereichen geschult werden", erklärt die Chefin des Europäischen Instituts Ljubow Panajotowa. "Mit dieser multidisziplinären Weiterbildung wurden in den Schengen-Staaten sehr gute Ergebnisse erzielt. Geschult werden sollen Staatsanwälte, Ermittler, Mitarbeiter des Nachrichtendienstes DANS, des Innenministeriums und der nationalen Kommission zur Bekämpfung des Menschenhandels. Das Ziel des Vorhabens ist eine bessere Zusammenarbeit zwischen diesen Institutionen."
Auch soll das Projekt die Kooperation zwischen bulgarischen Beamten und ihren Kollegen aus dem Schengen-Raum verstärken. Und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem Bulgarien solcher Hilfe bedarf. So erhalten wir die Möglichkeit besser vorzubeugen und besser informiert zu sein, und die Opfer – Schutz in Anspruch zu nehmen und in ihre Heimat zurückzukehren.
Übersetzung: Christine Christov
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