Als Ende Januar dieses Jahres 200 von 240 Abgeordnete des bulgarischen Parlaments der Aktualisierung der Justizreformstrategie ihre Unterstützung gaben, atmete die Gesellschaft erleichtert auf, dass die lang erwartete Justizreform wohl nun endlich in Gang kommen wird. In letzter Zeit verschwimmt diese Hoffnung aber wieder wie eine Fata Morgana in weiter Ferne. In der vergangenen Woche hat der zeitweilige, extra für die Verfassungsänderungen gegründete Parlamentsausschuss mit zwei Stimmen gerade die Texte abgelehnt, die die Reform des Justizsystems betreffen. Ein Tag, nachdem Justizminister Hristo Iwanow vor laufenden Fernsehkameras sagte, dass derzeit in unserem Land "eine extrem ermächtigte Mafia – die der ewigen Chefs der Justiz" arbeitet, wurde er gleich an drei Fronten angegriffen. Vom Obersten Justizrat forderte man seinen Rücktritt, Vorwürfe gegen ihn wurden auch am Rande der Parlamentssitzungen laut und die Staatsanwaltschaft begann aufgrund eines Zeitungsartikels öffentliche Auflagen des Justizministeriums zu überprüfen.
"Es ist durchaus keine Überraschung, dass die Angriffe gegen den Justizminister einen persönlichen Charakter angenommen haben", sagt Iwanka Iwanowa, Direktorin des Justizprogramm des Instituts "Open Society". "Das ist der Fall, weil es keine sachlichen Argumente auf Expertenebene gegen die Vorschläge für Verfassungsänderungen und für Änderungen im Gesetz über die Justizgewalt gibt, die die Justizreform betreffen. Es ist offensichtlich, dass es sehr ernsthafte Probleme mit der Qualität der Justiz in Bulgarien gibt und dass ein Gesamtkomplex von Gründen besteht, warum die Reform der Justiz jetzt unabdingbar ist. In Bezug auf die vorgeschlagenen Verfassungsänderungen besteht unter den Experten ein Konsens – sowohl in Bezug auf die Teilung des Obersten Gerichtsrats in zwei getrennte Kollegien – für Richter und für Staatsanwälte, als auch auf die Möglichkeit der einfachen Gerichte, sich an das Verfassungsgericht zu wenden, wenn bei einem laufenden Gerichtsprozess Zweifel von Verfassungswidrigkeit aufkommen. Die Angriffe, die wir in den letzten Tagen sehen, insbesondere gegenüber dem Justizminister, sind eine Folge der kompletten intellektuellen Ohnmacht, ein klares Argument zu formulieren, warum die politischen Kräfte im Parlament auch weiterhin die Abstimmung über diese derart wichtigen Änderungen hinauszögern. Verfassungsänderungen wurden von 130 Abgeordneten der Parteien eingebracht, die die Regierung unterstützen, mit Ausnahme von ABW, und es wird erwartet, dass sie auch mit "Ja" stimmen. Für mich ist die große Frage, wie die Bulgarische sozialistische Partei und die Bewegung für Rechte und Freiheiten stimmen werden, denn ohne ihre Unterstützung könnte die erforderliche Verfassungsmehrheit von 160 Stimmen nicht erreicht werden. Ich sehe außer dem erbitterten Widerstand der beiden oppositionellen Parteien auch ein äußerst zögerliches Verhalten der großen Partei in der Regierungskoalition – GERB, in Bezug auf die Maßnahmen für die Justizreform", so Iwanka Iwanowa von „Open Society“.
Als Beweis dafür sei daran erinnert, dass vor zwei Wochen Ministerpräsident Borissow einen neuen Kurs auf die Verkürzung der Gerichtsverfahren angekündigt hat. Der Zeitpunkt wurde nicht zufällig gewählt. Einen Tag nachdem der Oberste Anwaltsrat seinen offiziellen Standpunkt bekannt gab, mit dem er die Vorschläge für die Justizreform in Schutz nahm, erwiesen sich eben die Rechtsanwälte als wesentlicher Teil des Teufelskreises der Alltagskriminalität.
"Die einzige Erklärung, die ich dafür habe, ist, dass wir endlich bis zu einem Vorschlag für Maßnahmen in die Justizreform vorgestoßen sind, der eine Chance eröffnet, etwas in diesem System zu verändern und dieser persistenten und schweren politischen Verflechtung zwischen der Justiz und der politischen Elite in Bulgarien ein Ende zu setzen", so Iwanka Iwanowa weiter. „Die Situation, dass schon Vorschläge eingebracht wurden und dass ständig jemand, einschließlich der Premierminister, neue Maßnahmen vorschlägt, ohne dass sich dazu die Experten geäußert haben, ist nur eine Strategie, um die Entscheidung immer wieder aufzuschieben und der Gesellschaft Sand in die Augen zu streuen."
Zu diesem Zeitpunkt stellen sich die Sozialisten und die ABW auch weiterhin entschieden gegen diese Verfassungsänderungen, während die Bewegung für Rechte und Freiheiten sich an den Konsultationen über die Justizreform beteiligen wird. Das erklärte am Samstag der Vorsitzende der Bewegung Lütvi Mestan in Plowdiw, einen Tag, nachdem er und Ministerpräsident Bojko Borissow herzliche Beziehungen demonstrierten. Mestan betonte jedoch auch, dass die Veränderungen in der Justiz nicht nach dem Modell des Reformatoren-Blocks geschehen können und forderte Premierminister Borissow auf, die Initiative zu ergreifen. Der stellvertretende Vorsitzende der GERB-Partei Zwetan Zwetanow sagte seinerseits: "Wichtige Reformen werden von allen Parteien unterstützt, es besteht keine Notwendigkeit für Hauptrollen oder für Partei-Egoismus." Die Verfassungsänderungen werden voraussichtlich zwischen dem 22. und dem 24. Juli zur Abstimmung gebracht werden.
Übersetzung: Petar Georgiew
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