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Wer soll Griechenland aus der Patsche helfen?

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Glaubte man noch vor einer Woche, dass die allerallerletzten Verhandlungen von Griechenlands Ministerpräsidenten Tsipras mit der Eurogruppe die größte Herausforderung für die Solidarität in der Europäischen Union sind, so ist man eine Woche später schlauer und weiß: die echte Prüfung steht noch bevor. Denn spätestens seit der Entscheidung der Eurogruppe, den EU-Rettungsschirm noch einmal aufzuspannen und auch die Nicht-Euro-Länder an der Rettungsaktion Griechenlands zu beteiligen, heißt es in der EU, Position zu beziehen. Die Solidarität aller als Grundsatz der Union ist gefordert.

Der Anspruch der EU ist es nicht, alle Staaten auf dasselbe ökonomische Niveau zu bringen. Allerdings ist die EU dem Grundsatz der Solidarität verpflichtet, die dem Schwächeren hilft, seine Probleme anzupacken und so stärker zu werden. Im Fall Griechenlands haben wir allerdings ein EU- und Eurogruppenmitglied, das gegen die gemeinsamen Regeln und somit gegen einen anderen Grundsatz verstoßen hat – gegen die Rechtstreue.

Als 1981 Griechenland zur Europäischen Union zustieß, lebte Europa zweigeteilt. Der Kalte Krieg machte die Stärkung der Südflanke sowohl der EU, als auch der NATO, dringend notwendig. Zur vorteilhaften geografischen Lage des Landes stößt auch die Tatsache hinzu, dass ein Drittel des EU-Küstenabschnitts griechisch ist. Das hat bis heute noch auch eine rein militärische Bedeutung – die Nähe zum Nahen Osten macht Griechenland einen der wichtigsten Kunden für Waffen aus Deutschland und Frankreich. Zwei Drittel der EU-Hilfen für Griechenland wurden in all den Jahren vom Verteidigungsministerium in Athen abgerufen und verwaltet. Nicht von ungefähr liegen die griechischen Schulden an diese zwei mächtigsten EU-Länder bei insgesamt über 120 Milliarden Euro.

Mit der Wende und der anschließenden EU-Osterweiterung hat Griechenland allerdings seine strategische Bedeutung in Südosteuropa eingebüßt. Der Preis dafür hatte die EU aber bereits in Form von Krediten und Subventionen bezahlt. Und die gilt es nun, sich zurückzuholen. Mit Hilfe eines neuen Hilfspakets.

Der Weg dafür ist geebnet. Bis ein solches steht, dauert es aber noch – Zeit, die Athen nicht hat. Die leeren Kassen des Landes müssen schon früher gefüllt werden, so etwa mittels einer Brückenfinanzierung, damit Griechenland seinen akuten Finanzbedarf decken und seine Banken stützen kann. Mehrere EU-Staaten stehen aber auf die Bremse. Widerstand kommt etwa aus Großbritannien, Schweden und Tschechien – allesamt Länder, die nicht Mitglied der Euro-Zone sind. Großbritannien hat zwar seinen anfänglichen Widerstand gegen eine Nutzung des Alt-Rettungsfonds bei einer Brückenfinanzierung für Griechenland aufgegeben. Die kritischen Stimmen aus den Nicht-Euro-Länder lassen sich dennoch zusammenfassen: "Die Euro-Zone muss ihre Rechnung selber zahlen." So lehnte Tschechiens Ministerpräsident Bohuslav Sobotka ab, dass der alte Eurorettungsfonds EFSM für eine Brückenfinanzierung reaktiviert werde. "Der EFSM ist ein totes Programm“, sagte der Sozialdemokrat am Donnerstag und beteuerte, dass Tschechien als Nicht-Euro-Land unter keinen Umständen für neue Kredite an Griechenland gerade stehen will. Der Grund scheint klar: Sollte Griechenland beispielsweise einen Brückenkredit aus dem EU-Rettungsfonds bekommen und das Land dennoch bankrottgehen, müssten auch die besagten Nicht-Euro-Länder anteilsmäßig haften. Die Europäische Kommission will dennoch, dass sich an der griechischen Rettungsaktion auch die neun Nicht-Euro-Länder, also auch Bulgarien, beteiligen. Dafür ist eine Abstimmung aller 28 Mitgliedsländer notwendig, da es sich bei dem Geld aus dem Rettungsschirm um Geld aller Mitglieder handelt. Nun sei ein Kompromiss gefunden: die Nicht-Euro-Länder sollen durch einen Schutzwall vor möglichen Verlusten bewahrt werden.

Dies scheint die konservative bulgarische Regierung beruhigt zu haben. Ministerpräsident Borissow und sein Finanzminister Goranow haben heute im Parlament bestätigt, dass sich Bulgarien an der Hilfsaktion beteiligen wird. Er räumte jedoch ein, selbst die Gläubiger Griechenlands seien nicht mehr so glücklich mit der erzielten Einigung, wie vor einer Woche. „Die Angst, dass dieses Geld in den Sand gesteckt wird, ist groß und berechtigt, auch wenn das griechische Parlament dem Deal zugestimmt hat“, kommentierte Borissow. Und seine Stellvertreterin Rumjana Batschwarowa legte den Schwerpunkt darauf, dass nun das arme Bulgarien einem Land helfen müsse, das gegen EU-Recht verstoßen hat. Batschwarowa, die seit einigen Jahren als engste Vertraute des Ministerpräsidenten Borissow gilt, argumentierte noch deutlicher: "Bulgarien hat die EU-Auflagen stets erfüllt, auch wenn es uns schwer gefallen ist." Viele Bulgaren hätten sich bestimmt gewünscht, dass Bulgarien in seiner Position hart geblieben wäre.



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