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Strompreise sorgen wieder für Proteste

Diesmal gingen Unternehmer und Gewerkschaften auf die Straße

Foto: BGNES

Die vergangene Woche in Bulgarien war wieder durch große Proteste gezeichnet. Der Höhepunkt war am Mittwoch, als insgesamt 2.385 Unternehmen mit über 210.000 Beschäftigten im ganzen Land an den nationalen Protesten für Reformen im Energiesektor und gegen die Erhöhung der so genannten Gebühr "Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft" teilnahmen. Die Gebühr wird zu den tatsächlich verbrauchten Kilowattstunden pro Monat hinzugerechnet und sie erhöht merklich die Stromrechnungen sowohl der Unternehmen als auch der privaten Haushalte.

Die Proteste wurden von den vier Arbeitgeberorganisationen in Bulgarien gemeinsam organisiert und zum ersten Mal schlossen sich solchen Protesten auch die beiden größten Gewerkschaften des Landes an. Die Unzufriedenheit wurde durch die erwartete (von den Energiegesellschaften beantragte) Erhöhung der Strompreise und der besagten Gebühr hervorgerufen, weil die Unternehmen dadurch eine Erhöhung der Betriebs- und Produktionskosten und dadurch eine Beeinträchtigung ihrer Wettbewerbsfähigkeit befürchten.

Die Protestierenden in der Hauptstadt gaben dabei deutlich zu verstehen, dass ihre Aktionen nicht darauf abzielen, die Regierung zu stürzen, sondern die Regulierungsbehörde für Strom und Wasser davon zu überzeugen, die Strompreise für die Endverbraucher nicht zu erhöhen. Eine solche Positionserklärung mag verwunderlich erscheinen, war aber insofern wichtig, wenn man sich daran erinnert, dass solche Proteste gegen die Erhöhung der Strompreise Anfang 2013 zum Rücktritt des ersten Kabinetts von Bojko Borissow führten.

Die Reaktionen der im Parlament vertretenen politischen Kräfte waren recht unterschiedlich. Von der regierenden GERB-Partei zeigte man sich überrascht, warum diese Proteste durchgeführt werden, bevor die Regulierungsbehörde ihre Entscheidung, ob die Strompreise letztendlich erhöht werden oder nicht, noch gar nicht getroffen hat. Der Vorsitzende des Energieausschusses im Parlament Deljan Dobrew von der GERB-Partei zeigte sich überrascht, warum die Gewerkschaften und die Arbeitgeber gemeinsam protestieren, obwohl die Arbeitgeber die Ausgaben im Energiesektor verringern möchten und die Gewerkschaften dagegen sind. Er meinte, dass eine Verzögerung der Entscheidung über die Strompreise zu einem zusätzlichen Defizit im Energie-System in Höhe von Hunderten von Millionen Euro führen würde. Die Vertreter des konservativen Reformblocks erinnerten an ihre Position, dass die Gebühr "Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft" für die Privathaushalte und für die Industrie gleich hoch sein muss. Die Vertreter der Patriotischen Front, die ebenfalls die Regierung unterstützt, meinten, dass die Unternehmen und die Gewerkschaften wirklich Grund zum Protestieren hätten.

Die oppositionelle Sozialistische Partei forderte die Regierung auf, Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der bulgarischen Unternehmen und ihrer Produkte auch nach dem erwarteten Anstieg der Strompreise zu ergreifen.

In dieser heiklen Situation erklärte Ministerpräsident Bojko Borissow, die Regulierungsbehörde müsse alles genau berechnen und es den Bürgern verständlich erklären und er, Borissow, werde ihre Entscheidung akzeptieren. Den Worten des Ministerpräsidenten zufolge beträgt das Defizit in der nationalen Elektrizitätsgesellschaft 1,9 Milliarden Euro und jemand müsse es decken. Dieser Jemand könnten aber nur der Staat und die Bürger sein. Wie es zu einer solchen enormen Verschuldung des bulgarischen Energiesektors gekommen ist, ist freilich ein anderes – sehr langes und ausführliches – Thema.

Letzten Endes gab der Ausschuss für Energie und Wasser-Regulierung am Freitag seinen Beschluss bekannt, dass der Strom für die privaten Haushalte ab dem 1. August um durchschnittlich 0,11 Prozent billiger wird. Allerdings wurde die Gebühr "Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft" für die Privathaushalte und für die Unternehmen auf umgerechnet rund 19 Euro pro Megawattstunde festgelegt. Für die privaten Haushalte bedeutet das eine Verringerung auf weniger als die Hälfte, für die meisten Unternehmen jedoch eine Verdoppelung der Gebühr. Deshalb kündigten die Arbeitgeber an, dass sie die Proteste fortsetzen und den Rücktritt des Vorsitzenden der Regulierungsbehörde Iwan Iwanow fordern werden.




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