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Der lange Abschied – der Preis der kollektiven Verantwortungslosigkeit im Tourismus

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Foto: Bulfoto

Die seit Jahren angehäuften Probleme sind der Hauptgrund für die ausgesprochen schwache Touristensaison in diesem Sommer. Ende August macht sich Pessimismus in der Branche breit. Im Gespräch sind Pleite gegangene Hotels und Reiseveranstalter. Dimitar Popow vom Verband bulgarischer Reiseveranstalter und Reisebüros macht dafür die rückläufigen Touristenzahlen von Schwerpunktmärkten wie Deutschland, den skandinavischen Ländern und Russland verantwortlich. Und auch die Pressemeldungen über mehr Touristen infolge des Anschlags in Tunesien haben sich nicht bewahrheitet.

Die "Bombe" der Branche wurde bereits vor 20 Jahren gelegt – mit der Überbebauung der Schwarzmeerküste. Das Ergebnis sind Überangebot und fallende Preise. Schuld daran sind die Kommunalbehörden, die unbedachte Investitionen förderten und legalisierten, und die fehlende Staatspolitik sowohl für die Tourismus- als auch für die Baubranche.

Im Laufe der Zeit gesellten sich andere Probleme hinzu. Beispielsweise die Konzessionen für die Schwarzmeerstrände, die in Bulgarien Staatseigentum sind und deshalb von der Regierung oder dem Ministerium für Regionalentwicklung vergeben werden. Als Hauptgründe für den Rückgang der in- und ausländischen Touristen nennt Dimitar Popow eben die übervölkerten und teuren Strände:

"Der Sonnenstrand (Slanchev Brjag) wurde für 40.000 Betten und 7-8 Quadratmeter Strand pro Tourist konzipiert", erklärt Dimitar Popow. "Jetzt gibt es hier über eine halbe Million Betten, wobei deren genaue Zahl niemand nennen will. Bei einem solchen Ungleichgewicht kann es keine Lösung für das Strand-Problem geben. Mit einer Bewirtschaftung der Strände durch die Kommunen könnte es zumindest eingedämmt werden."

Einerseits verletzt der Staat mit der Vergabe von Strand-Konzessionen an Firmen außerhalb der Tourismusbranche die Marktinteressen der Hoteliers, deren Kundschaft sich über die hohen Gebühren für Liegen und Sonnenschirme beklagt. Andererseits rechnen die Hoteliers die Übernachtungen nicht in Echtzeit sondern erst am Monatsende ab, was zu Umsatzunterschlagung einlädt. Für 2014 wurden am Sonnenstrand rund zwei Millionen Übernachtungen abgerechnet, was durchschnittlich vier Übernachtungen pro Bett ausmacht. Das ist natürlich unreell wenig. Die gegenseitigen Tricksereien können die sinkende bulgarische Tourismusbranche nicht mehr retten.

"Die Prognosen über Hotel-Pleiten an der südlichen Schwarzmeerküste sind reell", ist Dimitar Popow überzeugt. "Natürlich wächst diese Gefahr bei rückläufigen Zahlen und schlechter Wirtschaftslage. Das gilt auch für Reiseveranstalter. Das Hauptproblem ist, dass Bulgarien auf Jahresbasis die niedrigsten Auslastungs- und mittleren Übernachtungseinnahmen verzeichnet. Die Landesstatistik beziffert die Bettenkapazität mit 260.000. Und deren Auslastung mit über 30%. Wenn wir neben den Hotels die Aparthotels, Privatunterkünfte und Ferienwohnungen mit einbeziehen, liegt die mittlere Auslastung bei höchstens 20%. Zum Vergleich: in der EU lag die mittlere Auslastung im Vorjahr bei 62%, in den USA – bei 80%."

Die amtierende Regierung hat der Tourismusbranche ein eigenes Ressort zugestanden. Das ist lobenswert, aber nicht genug. Das Scheitern der diesjährigen Urlaubssaison war abzusehen, da die Mehrheit der Touristen organisiert Urlaub macht und auf Angebote von Reiseveranstaltern zurückgreift.

"Bis Ende September werden die Verträge für 2016 verhandelt. D.h. wenn sich die Regierung die Mühe macht und große Reiseveranstalter kontaktiert, wird sie anhand des Charterprogramms bis Ende 2016 wissen, was auf die Branche zukommt. Diese Zahlen muss man dann nur noch mit den diesjährigen abgleichen", meint Dimitar Popow. "Dieser Vergleich ist sehr einfach, obliegt jedoch ausschließlich dem Tourismusministerium. Ganz zu schweigen davon, dass seit Jahren keine Umfragen unter Urlaubern durchgeführt werden. Beispielsweise unter Rumänen – ob sie bei uns Urlaub machen oder nur auf der Durchreise sind und wie viel Geld sie im Durchschnitt im Urlaub ausgeben."

Die Frage ist, ob der bulgarischen Tourismusbranche die Urlauber ausgehen oder ob es ihr gelingt, das ihr im Weg stehende Modell zu überwinden.

Übersetzung: Christine Christov



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