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Zwischen ehrgeizigen Gasvorhaben und Projektunfähigkeit

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Der Vizepräsident der Europäischen Kommission Maroš Šefčovič und Premier Bojko Borisow zeigten sich gut gelaunt auf dem Energieforum in Sofia, während die Probleme um die Umsetzung der Gasprojekte weiter einer Lösung harren.
Foto: BGNES

Drei von insgesamt sieben Gaspipelineprojekte durch Bulgarien seien mit der Europäischen Kommission abgestimmt. Das kommentierte der Vizepräsident der Kommission Maroš Šefčovič auf einer Konferenz über Energiesicherheit und Energieinfrastruktur in Südosteuropa in der bulgarischen Hauptstadt Sofia. Die drei Projekte umfassen den Bau von Erdgaspipelineverbindungen mit Serbien, Griechenland und Rumänien.

Trotz ihrer immensen Bedeutung kommen die Projekte nur schleppend voran. Bis zur Pipelineverbindung mit Rumänien fehlen noch 30 km auf bulgarischem Landesgebiet. Die Realisierung der Pipelineverbindung mit Griechenland zieht sich nun schon das sechste Jahr hin. Auch haben wir aufgrund mangelnder Software keine funktionierenden Reverse-Flow-Verbindungen, obwohl diese EU-weit verbindlich sind. Das kommentierte der Energieexperte Ilian Wassilew. Auch der Bau der Erdgaspipelineverbindung mit Serbien wird erst jetzt gestartet. Andererseits wurde von bulgarischen Politikern die Idee lanciert, Bulgarien durch einen Gas-Hub bei Warna und das South-Stream-Projekt als europäisches Energiezentrum zu etablieren.

Die offensichtlichen Diskrepanzen zwischen den politischen Statements und den technischen Kapazitäten als auch den Managementkapazitäten für kleine Projekte stellen die ehrgeizigen Pläne in Frage. Wir wollen die Kilometer mit großen Schritten bewältigen und lassen dabei die kleinen Dinge außer Acht, kommentiert Wassilew die Diskrepanz zwischen Zielen und Vermögen.

Die milliardenschweren Projekte werden als wichtig lanciert und blockieren die Nutzung unseres Pipelinenetzes. Dabei verweist der Energieexperte auf die Tatsache, dass durch Bulgarien außer russischem Gas bisher kein einziger Kubikmeter anderes Gas transitiert wurde, weil unser System durch die Exklusivverträge mit Russland blockiert sei. Transitanfragen würden generell abgelehnt. Die beantragen Transitmengen seien jedoch ausreichend, so Wassilew, um unserem Land das Selbstvertrauen zu geben, dass es in der Lage ist, den Transit zu diversifizieren.

Auch habe die Konkurrenz Gazprom dazu veranlasst, das vierte Quartal in Folge den Gaspreis für Bulgarien auf 213 Dollar pro 1.000 Kubikmeter zu senken und nicht die Bindung an das russische Strategieprojekt "South Stream".

Wenn es Wettbewerb gibt, spielt die Politik keine Rolle, ist Ilian Wassilew überzeugt. Neben den kleinen, aber keinesfalls unbedeutenden Reverse-Flow-Projekten gibt es langfristige internationale Vorhaben von strategischer Bedeutung.

Solche Projekte sind `Nabucco` und `South Stream`, erklärt der Energieexperte Ilian Wassilew. Dabei haben wir vor allem das Nabucco-Projekt im Blick, da die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben wurden und Gaslieferungen von dort nun möglich sind. Dieses Projekt wurde bereits abgestimmt und gebilligt, wodurch die Vorbereitungsfrist um ein Jahr gekürzt werden kann.

Beide Projekte konkurrieren jedoch gegeneinander, wobei sich Bulgarien nicht endgültig entscheiden kann, ob es mehr Diversifizierung der Gaslieferungen oder eine engere Anbindung an Russland anstrebt.

Auf der Konferenz bestätigte Ministerpräsident Bojko Borisow, das South-Stream-Projekt sei in Bulgarien nicht ad acta gelegt. Energieministerin Temenuschka Petkowa betonte ihrerseits, die Projektgesellschaft zahle nach wie vor hohe Gehälter. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei es für Russland bequemer, das Projekt aufrecht zu erhalten, anstatt es zu stoppen.

Um das Projekt einstellen zu können, muss die russische Seite erst einmal das Regierungsabkommen auflösen, was eine schwere Entscheidung ist, erklärt Ilian Wassilew. Gazprom hat bereits Röhren gekauft und gelagert. Auch wurden bereits 500-600 Mio. Euro in die South-Stream-Gesellschaft eingebracht. Eine Gruppe von Personen bezieht solides Geld. Auch auf politischer Ebene ist man offensichtlich der Ansicht, dass es besser ist, die Gesellschaft im Standby-Modus zu belassen. Für den Fall, dass sich Gazprom über Nord Stream 2 und andere Strategieprojekte mit Brüssel einigt. Dann könnte auch South Stream wieder aktuell werden, wenn auch nur mit geringerem Umfang.

Diese Strategieziele des russischen Unternehmen kosten den bulgarischen Steuerzahler jedoch eine Menge Geld, wobei die Regierung nicht gewillt ist, die Projektkosten zu drücken. Anstelle von South Stream wird nun das nicht weniger risikobehaftete Imageprojekt eines Gas-Hubs bei Warna lanciert, das besonders Ministerpräsident Bojko Borisow sehr am Herzen liegt. In seiner Rede auf der Konferenz in Sofia lancierte er das Gasverteilerzentrum als Lösung für die Probleme zwischen Bulgarien, Russland und der Europäischen Kommission. Bei dem rund zwei Milliarden schweren Projekt handelt es sich de facto um eine Ausbauversion des Gasspeichers in Tschiren, wofür weniger als 100 Millionen Euro notwendig sind. Wie man es auch dreht, es fehlt eh das Geld dafür.

Übersetzung: Christine Christov  




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