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Die verspätete Wortmeldung der Kirche

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Foto: BGNES

Eigentlich darf man nicht überrascht sein. Die Heilige Synode der Bulgarischen orthodoxen Kirche meldete sich in der Flüchtlingskrise zu Wort, traf aber den Ton nicht. Und tat es verspätet. Denn die Flüchtlingswelle rollt durch Europa seit Monaten, und Bulgarien spürt den Druck an seinen Grenzen seit mittlerweile drei Jahren.

Die Heilige Synode, also der Vorstand der orthodoxen Kirche in Bulgarien, hat sich gegen die weitere Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen. In einer Erklärung des Patriarchen Neofit und seiner 14 Metropoliten, die am vergangenen Wochenende ins Internet gestellt wurde, betont die Kirche ihr Mitgefühl mit den Schutzsuchenden und fordert mehr Solidarität mit allen Vertriebenen.

"Diejenigen, die bereits in unserem Land angekommen sind, bekommen unsere bedingungslose Hilfe, ohne sie nach Herkunft und Glauben zu trennen. Denn wir fühlen uns als Christen verpflichtet, unseren Nächsten nach eigener Kraft zu helfen. Mehr aber nicht", schreiben die Bischöfe. Und argumentieren, dass sie Sorge dafür tragen müssen, wie sich der Flüchtlingsandrang auf die christliche Gesellschaft Bulgariens auswirken werde. Die Heilige Synode bedenke zudem, dass die Hilfe Menschen zukommen solle, die "kein moralisches Problem" damit hätten, wenn sie von einer christlichen Gemeinschaft aufgenommen werden.

Neu im Ton der Bulgarischen orthodoxen Kirche ist, dass sie weltpolitisch in der Stilistik der Vereinten Nationen fordert, die kriegerische Auseinandersetzung als Verursacher des Flüchtlingszustroms beizulegen. Der Bürgerkrieg in Syrien tobt seit Jahren. Warum melden sich aber die bulgarischen Bischöfe erst jetzt zu Wort? In ihrer Erklärung findet sich vielleicht eine Antwort darauf:

"Wie so oft wird der Bulgarischen orthodoxen Kirche Passivität vorgeworfen. In der Jahrtausende alten Geschichte unserer Kirche traf sie nie unüberdachte Beschlüsse, die von Situationen kurzfristiger Dauer provoziert sind", begründen die Bischöfe ihr jahrelanges Schweigen zum Thema Flüchtlinge.

Ihre Reaktion fällt aber mit der hitzigen Diskussion über die so genannten Hotspots und die Quotenverteilung zusammen. Zufällig? Wohl kaum. Da sickert pure Angst durch. Sie mag verständlich sein, schließlich bekennen sich die meisten Flüchtlinge zum Islam. Die Geschichte der Bulgarischen orthodoxen Kirche kennt aber auch Tage, als sie keine solchen Bedenken hatte: im Zweiten Weltkrieg hat sie die Rettung der bulgarischen Juden vor dem sicheren Tod in den KZ Nazi-Deutschlands angetrieben.

Man kann durchaus die Reaktion des bulgarischen Patriarchen und seiner Bischöfe nachvollziehen. Was allerdings fehlt, ist das Engagement. Die Kirche hat keine einzige Hilfsaktion gestartet, um Kleider und Nahrung für die Tausenden zu sammeln, die über die Grenze zur Türkei nach Bulgarien strömten und strömen. Die Solo-Aktionen einzelner Pfarrer ausgenommen. Es fehlte uns die Reaktion auf die Hunderte Opfer im Mittelmeer. Es fehlte uns der Kommentar über die Abschottung des "gelobten Landes" Europa. Es fehlte die Reaktion auf den Todes-Laster in Österreich, gefahren von einem Bulgaren. Und die Kirche enthielt sich jeglichen Kommentars, als sich ein bulgarisches Dorf weigerte, Flüchtlingskinder in der Dorfschule einzuschulen. Und überhaupt fehlt es uns, dass die Bulgarische orthodoxe Kirche einen würdigen Platz in unserem nicht immer fröhlichen und leichten Alltag einnimmt.



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