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Neueste Serie der Schengen-Raum-Saga Bulgariens

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Foto: EPA / BGNES

Seit Monaten prognostizierten bulgarische Politiker und politische Beobachter, dass Bulgarien in diesem Herbst endlich dem Schengen-Raum beitreten werde, wenn auch teilweise – zu Luft und zu Wasser. Sofia erwartetе, dass der erste wesentliche Schritt auf der Sitzung des Europäischen Rates für Justiz und Inneres am Donnerstag und Freitag vergangener Woche erfolgen wird. Doch die Schengen-Frage fiel einfach aus der Tagesordnung heraus.

Die Vertreter Luxemburgs, in dessen Händen derzeit der EU-Vorsitz liegt, erklärten Bulgarien gegenüber, dass bei der Besprechung der Tagesordnung dieser Punkt auf nachdrücklichen Wunsch der Botschafter der Niederlanden und Deutschlands gestrichen worden sei. Die Niederlanden sind übrigens seit Jahren einer der schärfsten Gegner des Beitritts Bulgariens und Rumäniens zum Schengen-Raum. Als Argumente wird vorgebracht, dass beide Länder in technischer Hinsicht noch nicht so weit seien, zudem hapere es an der Justizreform und Korruption und organisierte Kriminalität würden weiterhin um sich greifen.

Die EU-Innenminister erörterten in Brüssel die Flüchtlingsproblematik und den Schutz der EU-Außengrenzen. Nicht unbegründet koppelte die bulgarische Innenministerin Rumjana Batschwarowa beide Fragen an den Schengen-Raum-Beitritt: „Der Beitritt Bulgariens zum Schengen-Raum ist bereits eine Frage der Sicherheit der gesamten Europäischen Union“, sagte Batschwarowa und unterstrich, dass „der nicht gewährte Zugang zu konkreten Visums- und Schengen-Informationssystemen die Möglichkeiten Bulgariens als EU-Außengrenze einschränke, dem Migrationsdruck erfolgreicher zu begegnen und das Schleuserwesen und den Menschenschmuggel effektiv zu bekämpfen.“

Und so ist der erträumte Schengen-Raum wieder außer Reichweite. Die Bulgaren werden also bei Reisen durch Europa weithin in die Tasche greifen müssen, um den Grenzbehörden einen Ausweis vorzuzeigen.

Die jüngste Runde innerhalb der bulgarischen Schengen-Saga war von zwei „europäischen“ Besuchen in Sofia gekennzeichnet. Die erste Visite stattete der niederländische Außenminister Bert Koenders ab, der nach seinem Gespräch mit seinem bulgarischen Amtskollegen Daniel Mitow bei Treffen mit Journalisten es nicht einmal für nötig hielt, die Hände aus den Taschen zu nehmen. Mitow hatte ihm gesagt: „Unter den Bedingungen eines präzedenzlosen Migrationsdrucks an den Außengrenzen, erfüllt Bulgarien de facto seine Verantwortung und tritt praktisch als Mitgliedsland des Schengen-Raums in Erscheinung, ohne es zu sein.“ Koenders meinte daraufhin lakonisch: „Bulgarien erfüllt die technischen Bedingungen für Schengen, was von großer Bedeutung ist“. Im Klartext heißt das – so weit so gut, aber warten müsst ihr trotzdem!

Den zweiten Besuch stattete der Präsident des Europäischen Rates Donald Tusk ab. Er hielt sich an das niederländische Libretto und sagte nach einem Treffen mit Premierminister Bojko Borissow, dass Bulgarien technisch bereit sei, Teil des Schengen-Raums zu werden. Nur die Reformen im Justizwesen und der Kampf gegen die Korruption und die organisierte Kriminalität seien unzureichend. Borissow entgegnete gereizt: „Bulgarien hat gezeigt, dass es eine bessere Schengen-Grenze ist als die Hälfte der übrigen Länder Europas“. Borisow konnte seinen Ärger nur schwer verbergen und wandte sich an Tusk, es sei für ihn beleidigend, zum x-ten Mal das Thema des bulgarischen Schengen-Raum-Beitritts aufzuwerfen…

Die Schengen-Saga Bulgariens geht weiter. Die Niederlande werden für die erste Hälfte des kommenden Jahres den EU-Vorsitz übernehmen. Es ist also mehr als klar, dass in dieser Zeit keine politische Entscheidung zur Schengen-Frage Bulgariens fallen wird…

Dieser Tage besuchte uns der mazedonische Staatspräsident George Ivanov, dessen Land weder in der EU noch in der NATO ist. Eine seiner Bemerkungen war speziell an die EU-Politiker gerichtet: „Die Migrationskrise hat Europa daran erinnert, dass der Balkan die Hauptschlagader ist, die den Alten Kontinent mit dem Nahen Osten verbindet“. Seiner Meinung nach habe sich diese Krise und dieser Korridor in einen Test für das Funktionieren des Schengen-Raums verwandelt, den die EU jedoch nicht bestanden hat.

Einige Beobachter sind zu der Schlussfolgerung gelangt, dass sich der Schengen-Raum im Grunde genommen als eine abstrakte Fiktion oder einen unerfüllten Traum erwiesen hat. Angesichts des Migranten-Tsunami haben sich einige Länder abgekapselt und schützen nun eifersüchtig ihre Grenzen mit altbekannten Mitteln, die einschließlich aus der Zeit des Kalten Krieges stammen. In diesem Kontext muten die redlichen Bemühungen Bulgariens um Einbeziehung in den Schengen-Raum eher komisch an. Seifen-Opern haben aber bekanntlich Dutzende Serien, wie eben auch die Schengen-Saga Bulgariens.

Deutsche Fassung: Wladimir Wladimirow



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