Am 25. Oktober wird in Bulgarien neben den Kommunalwahlen auch eine Volksbefragung durchgeführt werden, in der über die Einführung der elektronischen Stimmabgabe entschieden werden soll.
Die Durchführung eines Referendums als ein Instrument der direkten Demokratie ist in Bulgarien eher eine Seltenheit. Die erste Volksbefragung fand 1922 – die fünfte wird erst in diesem Jahr organisiert. Offensichtlich haben die politischen Parteien keine direkte Demokratie nötig.
Diese Volksbefragung wird „das Referendum der Referenden“ sein, ist der Politologe Georgi Metodiew überzeugt. Dieser Volksentscheid werde seiner Meinung nach zeigen, ob es in den nächsten Jahren in Bulgarien eine direkte Demokratie geben wird oder nicht.
„Falls das Referendum wegen schwacher Beteiligung ungültig sein sollte, wird es das zweite gescheiterte Referendum in unserer neueren Geschichte sein“, weist weiter der Politologe hin. „Die Politiker hätten es dann sehr einfach und könnten sagen, dass die Bulgaren offensichtlich keine direkte Demokratieausübung nötig haben.“
„Eine ganz andere Frage ist, ob die Haltung zu den Referenden in Bulgarien die gleiche ist, wie in den westlichen Demokratien“, weist seinerseits der Politologe Stojtscho Stojtschew hin. „Wiederum eine ganz andere Frage ist, ob wir über die nötigen gesetzlichen und organisatorischen Bedingungen zur Durchführung einer solchen Art Befragung verfügen. Das Parlament hat eine hohe Beteiligungsquote für die Gültigkeit festgelegt, was darauf hinweist, dass die Politiker in Bulgarien nicht unbedingt auf die Stimme des Volkes hören möchten.“
Falls die elektronische Stimmabgabe eingeführt wird, wird diese Möglichkeit vor allem von den Auslandsbulgaren, den jüngeren Generationen, wie auch von behinderten Menschen und solchen, die oft reisen, genutzt werden. Was die Technologie der Stimmabgabe per Internet anbelangt, steht das „Bulgarische Modell eines elektronischen Referendums“ unmittelbar vor seinem Abschluss. Das Projekt wurde mit der Unterstützung eines bulgarisch-schweizerischen Programms zur Zusammenarbeit verwirklicht. Einer der Autoren ist Ljubomir Blagoew. Er erklärte uns, dass das neue Modell die Manipulationsmöglichkeiten enorm verringern würde. Was das Wahlgeheimnis anbelangt, hat das Entwicklerteam eine sogenannte „unikale anonyme Kennung“ vorgesehen.
„Die elektronische Stimmabgabe ist eine Funktion der Gesellschaft und der Entwicklung der elektronischen Leitung und Regierung“, betont Nikolaj Nedjalkow, einer der Gründer der Vereinigung der Softwareexperten in Bulgarien. „Ich hatte die Möglichkeit, mit einem der „Väter“ der elektronischen Wahl zu sprechen. Er sagte mir, dass das Wichtigste darin besteht, in den Menschen das Vertrauen aufzubauen, dass sie auf elektronischen Wege mit dem Staat kommunizieren können.“
Gleichgültig ob man mit einem Stimmzettel aus Papier oder auf elektronischem Weg abstimmt – sind die Bulgaren misstrauisch, dass mit ihrer Stimme Missbrauch getrieben werden könnte. Schließlich hat man Erfahrungen. Erinnert sei an die Wahlen von 1895. Der Gründer der Volkspartei, Konstantin Stoilow, der bereits zweimal Premierminister des Landes war, befürchtete, dass diesmal sein Gegner Dragan Zankow die Wahlen in seinem Wahlbezirk Bjala Slatina gewinnen könnte. Kurzer Hand schickte er ein Telegramm mit der Anweisung: „Löscht im Notfall die Kerzen und bringt die Urnen in Ordnung!“... Dieses „Kerzenlöschen“ hat sich bis heute auf die eine oder andere Weise wiederholt. Die Bulgaren sind mehr und mehr davon überzeugt, dass von ihrer Stimme nichts abhängt. Vor Jahren hatte jemand mit einem Farbspray an eine Häuserwand in Sofia geschrieben: „Die Wahlen ändern nichts, wenn sie es täten, würde man sie verbieten!“... Wie sollen da die Bulgaren glauben, dass sie die politischen Geschicke ihres Landes selbst in den Händen halten?!
Deutsche Fassung: Wladimir Wladimirow
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