"Bulgarien bewältigt die Krise ziemlich gut", sagte Leszek Balcerowicz, früherer Vizepremier und Finanzminister von Polen, auf einer öffentlichen Vorlesung zum Thema "Konjunkturprobleme in Europa" in Sofia. Bis 2007 stand er der polnischen Zentralbank vor. Er zählt zu den führenden polnischen Volkswirtschaftlern. Bekannt geworden ist er mit dem Balcerowicz-Plan zur raschen Belebung der polnischen Wirtschaft nach der Wende.
Die Armut der Staaten führt er auf die schlechten Regimes und Diktatoren zurück – die schwache Konjunktur auf schwache Behörden und die verkehrte Bankenpolitik in den einzelnen Ländern.
Das Gelddrucken der Europäischen Zentralbank sei keine Lösung der Probleme und könne langfristig gesehen die Eurozone nicht retten. Bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise könne Brüssel die nationalen Regierungen nicht ersetzen, so der Wirtschaftsexperte. Ein großes europäische Problem sei die Ungleichheit, meint Leszek Balcerowicz und weiter:
"Die Unterschiede in den Entwicklungsmöglichkeiten der einzelnen Individuen müssen ausgeglichen werden. D.h., Menschen mit gleichen Begabungen müssen auch die gleichen beruflichen Realisierungschancen haben. Das gilt jedoch nicht zwangsweise auch für ihr Privatleben. Das ist natürlich nur sehr schwer umzusetzen. Beziehungen, beispielsweise in der Politik, dürfen die betreffende Person nicht begünstigen. Die Umsetzung dieser Idee würde sich positiv auf die Wirtschaft auswirken. Denn das würde bedeuten, dass hohe Posten zunehmend mit geeigneten Personen besetzt würden. Die These über gleiche Einkommen ist dagegen undefinierbar. Der Wunsch nach gleichen Entwicklungschancen ist definierbar, nach gleichen Einkommen nicht. Grundsätzlich können wir jedoch jederzeit um mehr Gleichheit kämpfen."
Als Hauptproblem für die Entwicklung jedes Landes der Welt nannte Balcerowicz die Bürokratie. Als Anhänger der Einheitssteuer befürwortet er die Antikrisenpolitik Bulgariens. Die progressive Einkommenssteuer hält er für keinen geeigneten wirtschaftlichen Anreiz. Im Vergleich zu den restlichen EU-Staaten bewältige Bulgarien die Krise recht gut. Der Eurozonenbeitritt des Landes würde die nationale Wirtschaft nicht maßgebend beeinflussen, sondern sei eher aus politischen Gründen von Bedeutung, kommentierte Balcerowicz.
Bulgarien weise eine stabile Landeswährung und niedrige Inflation auf als auch einen gut strukturierten Währungsrat, was in Krisenzeiten besonders wichtig sei. Was den Schuldenstand betrifft, würde dieser in Bulgarien zwar rasch steigen, sei jedoch einer der niedrigsten in der Europäischen Union. Stabilität erfordere einen niedrigen Schuldenstand. Um diesen beizubehalten, sollte der Staat die Ausgaben kürzen anstatt die Steuern anzuheben, verwies der Wirtschaftsexperte Leszek Balcerowicz. Gleichzeitig empfahl er Reformen im Justizsystem zur Verbesserung des Geschäftsumfelds und die maximale Eindämmung von Korruption. Die europäischen Fördermittel dürften die Reformen nicht behindern. Man dürfe nicht nur auf diese Fördermittel setzen, wie beispielsweise Griechenland. Auch sprach Balcerowicz die Ukraine-Krise an und kommentierte, seiner Ansicht nach hätte diese keine direkten Auswirkungen auf Europa.
Übersetzung: Christine Christov
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