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Die Flüchtlingskrise erfordert eine globale Neuordnung

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„Wir werden von der Überzeugung geleitet, dass die Kultur wesentlich ist und die natürlichste Art und Weise darstellt, den Anderen zu verstehen. Es ist Zeit, darüber nachzudenken, was uns zu Menschen macht und wie die Kultur mit sozialen Fragen konvergiert.“  Mit diesen Worten haben Zwetelina Jossifowa, Leiterin des Kulturzentrums „Red house“, und Enzio Wetzel, der das Goethe Institut in Sofia leitet, ein Kulturforum in der Hauptstadt eröffnet, das in dieser Form zum ersten Mal stattfand: „Das Flüchtlingsdasein: Menschen zwischen Zeit und Raum“.

Die Gäste und Teilnehmer der eintägigen Veranstaltung waren sich einig, dass wir Zeitzeugen einer präzedenzlosen Migrationswelle in Europa sind. Damit haben selbst wirtschaftlich starke Länder, wie Deutschland und Österreich, Schwierigkeiten. Bulgarien erlebte den ersten Höhepunkt der Flüchtlingswelle infolge des Bürgerkriegs in Syrien im Herbst 2013, als nach Angaben des stellvertretenden Direktors der Flüchtlingsagentur Wassil Warbanow rund 7000 Menschen binnen weniger Monate Schutz in Bulgarien gesucht haben. Seitdem ist ihre Zahl auf 15.000 gestiegen, wobei allein im Oktober d.J. 3500 Asylanträge gestellt worden sind.

„Momentan erleben wir die Ruhe vor dem Sturm“, behauptet Warbanow. „Zugleich stellen wir eine gravierende Änderung im Profil der Schutzsuchendenfest. Während Ende 2013 vor allem Familien aus Syrien geflohen sind, stellen heute zwei Drittel der Asylsuchende alleinstehende junge Männer zwischen 18 und 35 Jahren aus Afghanistan dar“, betont Wassil Warbanow.

Die präzedenzlose Flüchtlingswelle nach Europa und Bulgarien sorgte für offene Sticheleien unter den Mitgliedsländern der EU, wo das Aufkommen der schutzsuchenden Menschen enorm angestiegen ist. Daher liege die Hauptaufgabe der Politik in der Ausfertigung einer gemeinsamen Migrationspolitik, fordert Iwajlo Petkow vom Beraterteam des bulgarischen Präsidenten.

Wir haben schnell feststellen müssen, dass das 21. Jahrhundert das Jahrhundert der Migration ist, und das sind keine leeren Worte“, sagt Petkow. „Leider fassen die europäischen Länder die Flüchtlingsproblematik als Krise auf. Ob absichtlich oder ungewollt redet man in Europa von einer Flüchtlingswelle, ohne dabei Rechnung zu tragen, dass es dabei um Menschenschicksale geht.“

Während in der politischen Debatte der Schwerpunkt auf den unmittelbar zu lösenden Problemen mit der Unterbringung und Verpflegung der Flüchtlinge gelegt wird, findet das Gespräch über den seelischen Schmerz der Menschen auf der Flucht nicht statt. „Die beispiellose Flüchtlingskrise ist eine Prüfung für die Migrationssysteme der EU, und sie hat die finanzielle Debatte in den Hintergrund geschoben“, erklärte Dr. Thomas Heinzel vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Die kulturelle Integration ist von Schlüsselbedeutung, um Ausgrenzung vorzubeugen“, sagt Dr. Heinzel. „Ich glaube, jeder würde mir zustimmen, dass mit dieser Krise kein einzelner Staat allein fertig werden kann – weder Bulgarien, noch Deutschland, noch ein anderes Land.

Auch Kilian Kleinschmidt, langjähriger Leiter des weltweit größten Flüchtlingslagers Zaatari in Jordanien, hat sich dafür ausgesprochen, die Migration als ein globales Phänomen zu betrachten. „Wir müssen eine globale Neuordnung und Verteilung von Migrationströme erreichen“, sagt der heutige Flüchtlingsberater der österreichischen Regierung, und weiter:

Das ist wichtig, wenn es um die verschiedenen Nationalstaaten geht. Dann geht es natürlich zunächst um Logistik und darum, Aufnahmekapazitäten zu schaffen und sie menschenwürdig aufzubauen. In der gegenwärtigen Situation brauchen wir eine bessere Zusammenarbeit zwischen der Zivilgesellschaft, zwischen den Bürgern, und den Behörden, die im Augenblick sehr antagonistisch nicht zusammenarbeiten. Wir werden in einer Richtung gehen müssen, wo wir anerkennen, dass die Zukunft der Menschheit eine vermischte Gesellschaft ist, eine Mischung von Nationen und Kulturen. Ich sage immer wieder, man muss sich Manhattan anschauen: wenn man dort durch die Straßen läuft, sieht jeder anders aus, jeder kommt aus einem anderen Kulturkreis.



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