Die Anzahl der Richter pro Kopf der Bevölkerung ist in Bulgarien binnen der letzten sieben Jahre um ein Drittel angestiegen. In Mitgliedsstaaten des Europarats liegt der entsprechende Durchschnittwert bei 4,2 Prozent. Diese Tatsache macht eine großangelegte Umstrukturierung des bulgarischen Justizsystems erforderlich, belegt auch die detaillierte Analyse der Weltbank für das Justizsystem in Bulgarien in der Zeit von 2008 bis 2014.
„Das Problem mit der Anzahl der Richter sollte sehr behutsam angegangen werden“, meint Iwanka Iwanowa, Leiterin des Justizprogramms beim Open Society Institute. „Die demographische Lage in Bulgarien rechtfertigt zum Teil die hohe Anzahl von Richtern pro 100.000 Einwohnern, die die Weltbank als Vergleichkriterium gesetzt hat. Seit der Wende 1989 sind wir Zeuge intensiver landesinterner Migrationsprozesse. Der Großteil der bulgarischen Bevölkerung ist in Sofia und in Großstädten wie Warna, Burgas und Plowdiw geballt. Die Bevölkerung in den restlichen Regionalzentren schmilzt, was aber nicht zu bedeuten hat, dass dort keine Dienstleistungen mehr gebraucht werden“, erläutert Iwanka Iwanowa.
Laut dem Bericht der Weltbank sind die Hälfte der Bezirks-, Appellations- und Militärgerichte um spürbar weniger ausgelastet als ihre Kollegen. Deshalb rät die Weltbank, sie zu reduzieren. Iwanka Iwanowa sieht die Reduzierung der Appellations- und Militärgerichte als realistisch an. Was jedoch die Anzahl der Richter angehe, könne man sie nicht kürzen, da sie laut Verfassung unkündbar sind. Eine Möglichkeit wäre, sie in ausgelastete Gerichte zu verlegen oder ihnen eine andere Arbeit anzubieten. Einige könnten auf eigenen Wunsch in die Staatsverwaltung wechseln, falls sie dort mit stabilen Karrierechancen rechnen können. Laut Iwanka Iwanowa stechen drei Punkte im Weltbnak-Bericht besonders hervor:
„Es ist seit langem bekannt und das bekräftigt auch die Weltbank, dass die Verzögerung von Gerichtsverfahren kein Problem in Bulgarien ist. Es gibt Extremfälle von verschleppten Verfahren, für die Bulgarien am häufigsten vom Menschengerichtshof verurteilt wird“, erklärt Iwanka Iwanowa. „Trotzdem hebt die Weltbank hervor, dass die Dauer der Verfahren in Bulgarien der Durchschnittsdauer in Ländern entspricht, die dem Europarat angehören. Sehr wichtig meiner Ansicht nach ist das Fazit, dass man sich nicht auf die Länge der Gerichtsverfahren fokussieren sollte. An zweiter Stelle listet die Weltbank ein weiteres Argument auf, warum die Gehälter der Richter aktualisiert werden sollten. Vor einem Monat haben die Richter sehr heftig auf die Forderung des Finanzministers nach einer Aktualisierung ihrer Gehälter reagiert. Die Analyse der Weltbank belegt krasse Diskrepanzen zwischen den von Richtern real bezogenen Löhnen, die viel niedriger sind, als gesetzlich vorgesehen ist. Diese Unterschiede sollten in kürzesten Fristen aufgehoben werden. Die dritte wichtige Schlussfolgerung im Bericht ist, dass die Weltbank die staatliche Finanzierung der Judikative als langfristigen Prozess sieht. Um eine Reform vornehmen zu können, muss die Höhe der staatlichen Subventionen für das Justizsystem langfristig gesichert sein. Die Weltbank fordert einen Plan für die Justizreform, den alle interessierten Behörden gemeinsam ausarbeiten sollten – das Justizministerium, das Finanzministerium, der Oberste Justizrat etc. Interessant ist, dass hier zum erstenmal an diese drei Institutionen appelliert wird, ihre Expertisen zu konsolidieren und einen langfristigen Reformplan auszuarbeiten, damit diese Reformen verwirklicht werden können“, sagte abschließend Iwanka Iwanowa.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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