Es kommen schöne Tage – die Vorweihnachtszeit ist da. Über die schönste Zeit im Jahr zu sprechen gibt es neben dem ersten Advent auch einen weiteren Anlass aus der vergangenen Woche. Ein Abgeordneter hat nämlich vorgeschlagen, dass der gesetzliche Mindesturlaub in Bulgarien von derzeit 20 auf 25 Tage aufgestockt wird. Der Abgeordnete hat via Facebook auch seine Gründe angeführt: Stressabbau, Krankheitsprävention und einen besseren Lebensstandard. In Dänemark, Schweden, Österreich und Luxemburg sei man bereits soweit. In Großbritannien betrage er sogar 28 Tage. Und absolute Spitzenreiter unter den europäischen Arbeitnehmern seien Frankreich und Finnland mit 30 Tagen Urlaub. Doch, Bulgarien führt die inoffizielle Statistik schon längst an.
"Nacharbeiten" ist ein Schlagwort, dass nur wenige kennen. Der Duden sagt dazu: "Versäumte Arbeit und/oder Arbeitszeit zu einem späteren Zeitpunkt evtl. durch vermehrte Arbeit nachholen". Diese Definition trifft bedingt auch für den bulgarischen Sprachgebrauch zu. Bedingt, denn in Bulgarien wird die versäumte Arbeitszeit keinesfalls durch "vermehrte Arbeit" nachgeholt. Beim "Nacharbeiten", dieser typisch postsozialistischen Besonderheit des bulgarischen Feiertagskalenders, handelt es sich viel mehr um einen mittels Regierungsbeschluss versteckten Hang zum ... Faulenzen. Und so funktioniert es: Die Regierung wirft einen kurzen Blick auf die bevorstehenden Weihnachts- und Neujahrsfeiertage, und stellt unangenehm überrascht fest, dass der 31. Dezember auf einen Donnerstag fällt, der am besten doch mit den folgenden Silvestertagen zusammengelegt werden sollte. Denn nur drei Tage das neue Jahr feiern, geht nun wirklich nicht. Und prompt beschlossen die Minister, dass der 31. Dezember ein arbeitsfreier Tag wird. Dem krisengestressten Volk will man ja schließlich etwas Gutes gönnen! Da es aber nicht so einfach ist, einen Arbeitstag für arbeitsfrei zu erklären, muss dieser Tag eben "nachgearbeitet" werden, am besten noch im Rahmen des gleichen Kalenderjahres. Da dies aus verständlichen Gründen nicht getan werden kann, wird man in Bulgarien in diesem Jahr "vorarbeiten": der 12. Dezember, ein Samstag, ist somit zu einem Arbeitstag erklärt worden. Nun ja, jeder weiß aber, dass samstags arbeiten nicht gleich werktags arbeiten ist.
Das neue Arbeitsjahr beginnt also am 5. Januar. Gerade angefangen, hört aber alles wieder am Erscheinungsfest am 6. Januar auf, also am nächsten Tag, und am darauffolgenden Iwanstag. Namenstage werden in Bulgarien übrigens fast mehr gefeiert, als Geburtstage. Und der Iwanstag ist vielleicht der Wichtigste unter allen. Verständlich – jeder Zweite heißt in Bulgarien Iwan.
Aber nun weiter im Kalender: Nach ein paar Arbeitstagen, bzw. Erholungstagen vom Feiern, folgt das nächste Namenstagpaar – am 17. und 18. Januar, wenn alle Antons, Antonias und Atanas feiern, und davon gibt es auch reichlich viele. Der Februar beginnt mit "Trifon Zaresan", dem Winzerfest. In Bulgarien bedeutet das nur eins – Rotwein zum Frühstück, zum Mittagessen und zum Abendessen. Seit der Wende hat sich auch der Valentinstag zum Festkalender der Bulgaren heimlich dazugesellt. Da der Februar ziemlich kurz ist, merkt man nicht, wie man schon den 1. März schreibt – dann werden die urtypisch bulgarischen rotweißen Glücksbringer "Martenizi" verschenkt. Und oft schenkt man auch ein. Alles kein Problem, denn am 3. März darf man dann ganz offiziell feiern – der 3. März ist nämlich der bulgarische Nationalfeiertag. Übrigens, 2016 fällt er auf einen Donnerstag. Drei Mal darf man raten, ob es mit einem eingeschobenen Brückentag zu einem langen Wochenende kommen wird...
In den letzten Jahren beobachtet man eine nostalgische Tendenz, den internationalen Frauentag am 8. März wieder zu begehen – die Frau, Mutter und Kollegin muss doch ordentlich gefeiert werden! Da stört die Arbeit nur.
Im April kommt dann irgendwann Ostern und mindestens drei Tage sind hin. Und der Wonnemonat Mai sollte in Bulgarien endlich offiziell zum arbeitsfreien Festmonat erklärt werden. Es geht Schlag auf Schlag – am 1. Mai, dem Internationalen Tag der Arbeit, geht man halt nicht arbeiten. Und nach dem 1. Mai kommt schnell der 6. Mai, der Georgstag. Und der Georgstag ist in Bulgarien nicht nur ein wichtiger Namenstag – jeder Dritte heißt hier Georgi. Sondern es ist auch ein offizieller Feiertag, wenn die bulgarische Armee durch einen arbeitsfreien Tag gefeiert wird. Zwischen beiden großen Festen ergibt sich immer ein verlängertes Wochenende, wenn nicht eine volle freie Woche. Davon gerade erholt, folgt der 24. Mai, der Tag des slawischen Schrifttums und der bulgarischen Kultur. Auch ein offizieller Feiertag bei uns. 2016 fällt er auf einen Dienstag, was automatisch verlängertes Wochenende bedeutet.
Um den 24. Mai herum werden zudem die Abi-Bälle veranstaltet, und jeder hat jedes Jahr in der Verwandtschaft oder im Freundeskreis einen Schulabgänger, auf dessen Party er eingeladen wird. Die Abi-Bälle sind in Bulgarien eine absurde, hochzeitsähnliche Veranstaltung, oft ein tagelanges Event. Aber das ist ein anderes Bier. Zurück zum Kalender. Und da folgen nach dem Monat Mai die Monate Juni, Juli und August. Inoffiziell sind es die Urlaubsmonate, wenn es niemandem hier nach Arbeiten ist.
Der September ist dann ein seichter Übergang zum Büroleben. Betonung liegt auf "seicht", denn am 6. September feiern wir die Wiedervereinigung Bulgariens, am 9. September feiern manche Ostalgieverfallene die sozialistische Revolution, am 22. September feiern dann alle die Unabhängigkeitserklärung. Zwischendurch wird nicht zur Arbeit erschienen, weil am 15. September die Kinder eingeschult werden, und das entweder gefeiert oder schlicht vorbereitet werden muss.
Der Oktober ist richtig langweilig. Es sei denn, man kennt einen Dimiter, denn am 26. Oktober hat er Namenstag. Ähnlich ist es auch im November – nichts Offizielles, nur Namens- und natürlich hier und da Geburtstage. Verständlich, dass der November der depressivste Monat in Bulgarien ist. Danach folgt aber Dezember und das Feiern beginnt am Nikolaustag, am 6., und endet nach Weihnachten und Silvester irgendwann im neuen Jahr.
Also, lieber Herr Abgeordnete, alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Bulgarien begrüßen ihren Vorstoß, zu all den aufgezählten Feiertagen auch noch weitere fünf bezahlte Urlaubstage hinzuzurechnen, denn hier und da ergibt sich zwischen den Feiertagen und trotz von oben verordneten Brückentags doch kein langes Wochenende. Mit den zusätzlichen fünf Urlaubstagen würde man auch dieses Problemchen schnell lösen können.
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