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Sofias Hausberg Witoscha – Zankapfel zwischen Investoren und Naturschützern

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Foto: Bulfoto

„So bezaubernd schön kann nur Witoscha sein“, schwärmte Anfang des 20. Jahrhunderts der bekannte bulgarische Schriftsteller und begeisterte Wanderer Aleko Konstantinow, Namensgeber der Skizone Aleko im Witoscha-Gebirge, dem Hausberg der Hauptstadt Sofia. Er hätte nie gedacht, dass 100 Jahre später sein liebstes Gebirge von einer verehrungswürdigen Naturschönheit zum Zankapfel degradiert wird. Zwischen den Naturschützern und dem Verwalter der ältesten Skizone im Witoscha-Gebirge, der sie modernisieren will, fliegen seit zwei Jahren die Fetzen.

Das Witoscha-Gebirge ist das älteste Naturschutzgebiet Bulgariens – seit 1934. Seitdem hat sich aber im Gebirge nicht sonderlich viel getan. Der Großteil der Hütten und Wanderwege ist in einem desolaten Zustand. Das Statut eines Naturschutzgebietes verbietet jegliche Bauarbeiten im Naturpark. Trotzdem versucht der Betreiber der Skilifte, diese durch neue Anlagen auszuwechseln und neue Pisten anzulegen, so dass die Skizone Aleko für Skifahrer wieder attraktiv wird und mehr Touristen das Witoscha-Gebirge besuchen. Denn nur eine Stunde Autofahrt vom Stadtzentrum Sofias und man ist auf 2000 Metern Höhe im ältesten Skiort Bulgariens, wobei „ältester“ Skiort fast alles aussagt – die ersten Skilifte wurden in den 1950er Jahren gebaut, die modernsten – Anfang der 1980er. Das will der Betreiber der Skizone ändern, denn Angaben des bulgarischen Skiverbands zufolge fahren zwischen 70 und 100 Tausend Sofioter Ski. „Im Winter gibt es täglich bis zu 1500 Kinder in der Skizone, die Skifahren lernen“, argumentiert weiter Georgi Bobew, Vizepräsident des Skiverbandes und Mitglied des Verwaltungsrats der „Witoscha Ski“ AG.

Wegen der veralteten Infrastruktur ist Witoscha für die guten Skifahrer nicht attraktiv“, sagt Georgi Bobew, selbst ein passionierter Skifahrer. „Die Sofioter müssen begreifen, dass unser Hausberg Witoscha viel mehr zu bieten hat, als nur Wanderwege. Wir müssen das Gebirge zugänglicher machen und das geht nur über die Modernisierung der Skizone.“

Der alte Verwaltungsplan des Witoscha-Gebirges ist abgelaufen und derzeit läuft die öffentliche Diskussion über die Parameter des neuen Plans. Allem Anschein nach wird der neue Zehnjahresplan liberaler sein und die Modernisierung der bestehenden Skilifte ermöglichen. Denn die Experten sind sich einig – Lifte, die 30 Jahre und älter sind, sind de facto irreparabel. Trotz der verrosteten Lifte hat Witoscha ihre eigene Fangemeinde unter den Skihasen von Sofia. Ljubomir Bojadschiew ist einer von ihnen.

Witoscha ist mehr als nur ein Naturpark – dieses Gebirge ist die grüne Lunge der Millionenstadt Sofia, und deshalb gehört es geschützt“, sagt Ljubomir Bojadschiew. „Die Lifte müssen erneuert werden, das ist keine Frage. Die Frage ist, wie man es macht. Als Wintersportfan und Sofioter frage ich mich, warum die Lifte in all den Jahren so vernachlässigt wurden.“

Um eine Antwort bemühen sich seit vielen Jahren sowohl die Liebhaber des Wintersports, als auch die Naturschützer. Ihre Argumente bringt Toma Belew an, Vorsitzender des Vereins der Naturschutzgebiete in Bulgarien.

Die Infrastruktur im Witoscha-Gebirge diente schon immer nur den Wanderern“, sagt Belew. „Ski kann man im Winter auf den Hochgebirgsweiden fahren, wenn genug Schnee liegt. So war es immer. Nur hat das Witoscha-Gebirge den `Nachteil`, in unmittelbarer Nähe einer Großstadt wie Sofia zu liegen. Das weckt natürlich den Appetit der Investoren. Und so streiten wir um 200 Hektar Wälder und Gebirgsweiden, die geschützt gehören, aber dem Skisport im Wege stehen. Auf den Punkt gebracht bedeutet es, dass Witoscha kein Ort für Hochleistungssport ist“, behauptet der Naturschützer Toma Belew.

80 Prozent der Einwohner von Sofia wünschen sich moderne Anlagen in der Skizone Aleko. Unter der Bedingung jedoch, dass die Natur nicht zerstört wird. Dem wird aller Wahrscheinlichkeit nach der neue Verwaltungsplan gerecht, denn das absolute Bauverbot soll entfallen. Er soll zudem genau festlegen, wo welche Sportaktivitäten möglich sein werden. Man darf auch nicht vergessen, dass das Witoscha-Gebirge ein fester Baustein der Strategie von Sofia ist, das 2018 Europas Sporthauptstadt sein wird. Es sieht also danach aus, dass den Investoren die Hände nicht länger gebunden sein werden.

Der Kompromiss liegt auf der Hand – der Verwaltungsplan muss dahingehend geändert werden, dass Bauarbeiten, wie der Austausch veralteter Lifte, möglich werden. Die Menschen können nur dann lernen, wie sie die Natur schützen, wenn sie in die Natur zugelassen werden“, sagt Georgi Bobew von der Investitionsgesellschaft.

Doch, bis der Verwaltungsplan verabschiedet ist und in Kraft tritt, wird der Winter sicherlich vorbei sein. Und so werden die Sofioter auch in diesem Jahr Ski fahren, weit weg von ihrem geliebten Hausberg, nur eine Autostunde vom Stadtzentrum entfernt.



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