Die Reformer, wie die fünf Kleinparteien im mitregierenden konservativen Reformblock gern genannt werden, haben sich in dieser Woche in eine Sackgasse hineingeschleudert, in der sie schon mal gewesen sind. Der Reformblock, der auf eine kurze, gut einjährige Geschichte zurückblickt, gründete sich mehr oder weniger aus der Not heraus, den monatelangen Regierungsprotesten gegen die sozialistisch dominierte Regierung Orescharski einen politischen Rahmen zu verleihen. Nur so hätten es die Reformer überhaupt ins Parlament geschafft, und natürlich in die Regierung. Nach dem Rücktritt ihres Justizministers wegen der halbherzigen Justizreform kam es schnell zu emotionellen Ausbrüchen aus den Reihen des Juniorpartners im Kabinett. Es wurden Stimmen laut, die Regierungskoalition zu verlassen. Politische Beobachter erwarten aber eher, dass sich der Reformblock spaltet. Und damit seiner Entstehungsgeschichte gerecht wird.
Denn die Reformblockparteien sind Splitterparteien – zwei von ihnen sind Nachfolger der Union der demokratischen Kräfte, der bedeutendsten Nachwendepartei in Bulgarien, die wegen des persönlichen und beinah krankhaften Ehrgeizes ihrer Spitzenpolitiker in die Bedeutungslosigkeit abrutschte. Um die politische Bedeutungslosigkeit abzuwehren, gründete die gescheiterte Präsidentschaftskandidatin und frühere EU-Kommissarin Meglena Kunewa ihre Bewegung "Bulgarien den Bürgern", die heute zum Reformblock gehört und mitregiert. Eine Splitterpartei ist auch die Formation von Korman Ismailow, die früher zur mächtigen Wirtschaftspartei DPS gehörte und nach der Abspaltung in den Wahlumfragen überhaupt nicht vorkam. Die fünfte Reformblockpartei ist die Bauernpartei, was ziemlich unklar macht, warum ausgerechnet sie den heutigen Verteidigungsminister stellt. Eine mögliche und naheliegende Erklärung für viele ist, dass die Bauernpartei und der Minister gern an der Macht sind.
Was man vom zurückgetretenen Justizminister nicht behaupten kann. Er ist der erste Minister in der neuen demokratischen Geschichte Bulgariens, der wegen seiner politischen Überzeugungen das Handtuch wirft. Die Justizreform, so wie er sie eingebracht hatte, ist am Status quo im Parlament gescheitert. Er hat nur das gemacht, was er schon vorher angekündigt hatte.
Emotionell beleidigt und ziemlich unüberlegt reagierte aber der Vorsitzende einer der Splitterparteien im Reformblock. Radan Kanew, Co-Vorsitzender der Reformblockfraktion, verstehe sich ab sofort als Oppositionspolitiker. Der Reformer in Person, der im Sommer 2013 Abend für Abend gegen die Oligarchen-Regierung Orescharski auf die Straße ging, ist nicht weniger ehrgeizig als sein Vorgänger Iwan Kostow, der die unkontrollierten Spaltungsprozesse in der einstigen Union der demokratischen Kräfte verursacht hatte. Kanew fühlt sich von seinen Koalitionspartnern in der Regierung verraten, weil sie bei der Justizreform nicht weit genug gehen wollten. Verraten wurde er aber auch von seinen Parteifreunden im Reformblock, die die halbherzige Justizreform im Plenarsaal durch Stimmenthaltungen eigentlich mitgetragen haben. Statt beleidigt die Regierungsbühne zu verlassen, sollten sich die Reformer überlegen, wie sie die Justiz nach dem ersten gescheiterten Versuch reformieren könnten.
Kanews emotionelle Reaktion wird in der breiten Öffentlichkeit nicht gänzlich verstanden und als die Reaktion eines beleidigten hormongeplagten Mädchens aufgenommen. Denn Kanew und seine Parteifreunde sind an ihrer selbst als wichtigste formulierte Aufgabe gescheitert: Sie haben es nicht geschafft, die Bedeutung der angestrebten Justizreform zu erklären und mit politischen Argumenten und Instrumenten durchzusetzen. Vielmehr glauben die Bulgaren, die ohnehin Fans von Verschwörungstheorien sind, dass das eigentliche Ziel der revolutionären Justizreform die Übernahme des politischen Einflusses auf Staatsanwaltschaft und Gericht gewesen sei.
Dem emotionellen Ausbruch werden die Reformblock-Minister wohl kaum folgen. Gerade an die Macht gekommen, werden sie darauf nicht freiwillig verzichten. Denn die traurige Wahrheit ist, dass die Reformer in Bulgarien nur in Ausnahmefällen Menschen sind, die eine politische Umgestaltung vorantreiben. Vielmehr sind sie Reformisten, die das vorhandene, offensichtlich nicht funktionierende Justizsystem mit Hilfe kleiner und unsicherer Schritte verändern wollen. Dabei braucht es revolutionäre Einschnitte, um dieses verkümmerte System zu demokratisieren. Die bulgarische Justiz ist seit der Wende in der Hand von einer geschlossenen Gesellschaft, die die Zügel sehr fest hält, vom Status quo profitiert und um nichts in der Welt darauf verzichten will. Es braucht wohl Zeit, damit sich das Blatt wenden kann und der Wille in der Justiz selbst aufkommt, auch gegen die einflussreichen Oligarchen vorzugehen. Und es braucht ganz sicher keine unüberlegten Aussagen, wie diese des Reformblock-Spitzenpolitikers, die höchstens eine denkbar schlechte Folge haben könnte – die Spaltung des Reformblocks. Denn seien wir mal ehrlich – selbst, wenn es zu einer Regierungskrise und Neuwahlen kommen sollte, zweifelt wohl niemand daran, dass das Ergebnis nicht viel anders ausfallen würde, als vor einem Jahr, als das jetzige Kräfteverhältnis im Parlament zustande kam.
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