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US-Vizeaußenministerin Victoria Nuland zum dritten Mal in Sofia

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Foto: BGNES

Im Rahmen ihrer Europa-Rundreise machte die stellvertretende US-Außenministerin Victoria Nuland nach ihren Visiten in Lettland, Russland und Rumänien nun Station in Bulgarien. In weniger als zwei Jahren ist das der dritte Bulgarien-Besuch der hochrangigen US-Diplomatin mit Zuständigkeitsbereich Europa und Eurasien.

Die Europa-Rundreise von Nuland dient offenbar den strategischen US-Interessen in der Region, die zudem den Charakter der bilateralen Beziehungen mit diesen Staaten prägen. Zum Ausbau der strategischen Partnerschaft mit Bulgarien wurden während des vorjährigen Staatsbesuchs von US-Außenminister John Kerry in den Bereichen Sicherheit, Energiediversifizierung, Rechtsstaatlichkeit und Kulturbeziehungen vier Arbeitsgruppen eingesetzt.  Während der Bulgarien-Visite von Nuland im Jahr darauf wurde die Effizienz dieser Kooperationsform konstatiert. Wertgeschätzt wurde zudem eine neu eingesetzte fünfte Arbeitsgruppe zu Fragen der Terrorbekämpfung.

Zentrales Thema waren u.a. Energiefragen und konkret der Stand der Umsetzung der geplanten Gaspipelineverbindung mit Griechenland. Die USA hatten sich aktiv für die Investitionsvereinbarung zum Bau dieser Pipelineverbindung stark gemacht, da sich US-Unternehmen über diesen Interkonnektor Zugang zu den Gasmärkten in der Region versprechen.  Die Vereinigten Staaten verzeichnen jedoch bereits anderweitig starke Präsenz im bulgarischen Energiewesen – durch Beteiligungen zweier zwei US-Unternehmen am Energiekomplex „Maritza-Iztok“-„AES“ und „Kontur Global“. Deshalb wurde Nuland auch mit dem Stand der Verhandlungen der Bulgarischen Energieholding zur Gewährung eines 650 Millionen-Euro-Kredits vertraut gemacht, mit welchem  der staatliche Stromversorger NEK seine Außenstände gegenüber den beiden US-Kraftwerken begleichen will. Kraft der im August vergangenen Jahres geschlossenen Vereinbarung wollen die Kraftwerke nach Begleichung der Außenstände ihre Einspeisetarife senken. Am Tag der Nuland-Visite nahm zudem die bulgarische Energiebörse ihre Arbeit auf. In diesem Zusammenhang wurde Victoria Nuland davon in Kenntnis gesetzt, dass die vollständige Liberalisierung des nationalen Energiemarktes geänderte  Bedingungen voraussetzt und demzufolge eine Neuverhandlung der Verträge mit den US-Unternehmen.

Der geplante Bau des 7. Reaktorblocks am Standort Kosloduj war kein Thema der Gespräche mit der stellvertretenden US-Außenministerin. Das wiederum bestätigt, dass dieses Projekt aufgrund finanzieller Schwierigkeiten nicht an das US-Unternehmen Westinghouse vergeben wird. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Kontakt zu Westinghouse unterbrochen ist. Kürzlich vermerkte Ministerpräsident Bojko Borissow, beim Ausbau der bulgarischen Atomenergie habe das Unternehmen auch künftig einen Platz. Was den neuen Reaktorblock des Atommeilers Kosloduj betrifft, wird gegenwärtig um die Gewinnung eines chinesischen Investors verhandelt, der namentlich von Westinghouse vorgeschlagen wurde. Nachdem der mit russischem Knowhow erbaute und mit russischen Brennstäben bestückte Atommeiler keine gemeinsame Fortsetzung mit dem US-Unternehmen findet, soll nun ein chinesisches Unternehmen einsteigen.

Den Gesprächen von Ministerpräsident Bojko Borissow mit Victoria Nuland wohnten ferner Außenminister Daniel Mitow, der für die EU-Fonds zuständige Vizepremier Tomislaw Dontschew und Energieministerin Temenuschka Petkowa bei. Besondere Aufmerksamkeit galt den Fragen im Verteidigungsbereich, die die US-Vizeaußenministerin auf einer gesonderten Unterredung mit Verteidigungsminister Nikolaj Nentschew besprach. Dabei ging es um Möglichkeiten zur Modernisierung der Streitkräfte, besonders der Luftstreitkräfte.  Die Kampfluftflotte hat seit Jahren Probleme. Aufgrund der Rotstiftpolitik wurden bisher jedoch nur wenig reelle Schritte unternommen. Die jüngste Entwicklung in diese Richtung ist der Vertrag mit Polen zur Reparatur der russischen MiG-29. Gleichzeitig hält Bulgarien bis heute an seinen Absichten zur Anschaffung eines amerikanischen F16-Kampfjets fest.

Ebenfalls angesprochen wurden die Beziehungen mit Russland. Nach fünfjähriger Unterbrechung soll der bulgarisch-russische Regierungsausschuss für wirtschaftliche und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit Ende des Monats nun seine Arbeit wieder aufnehmen. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass besonders im Energiebereich Elemente des Dialogs mit der US-Seite zur Präzisierung bulgarischer Standpunkte im Dialog mit der russischen Seite dienen werden.

Übersetzung: Christine Christov 



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