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Erneut Spannungen zwischen Judikative und Exekutive

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Dimitar Usunow – der neue „Zankapfel“ im Obersten Justizrat
Foto: BGNES

Am Mittwoch hat der Oberste Justizrat überraschend seinen Repräsentanten entlassen. Die von ihrem Posten enthobene Sonja Najdenowa schließt nicht aus, dass es sich dabei um eine Strafmaßnahme im Zusammenhang mit der skandalösen SMS handelt, mit welcher eine bisher unerwiesene Ratsperson den Regierungschef über den Stand der Ratssitzung informiert hatte. Daraufhin forderte Najdenowa von allen Ratsmitgliedern eine Verbindungsübersicht für ihre Telefone ein, um so feststellen zu können, wer der Informant des Regierungschefs ist.

Der neugewählte Titular Dimitar Usunow gilt als Nahestehender von Regierungschef Borissow. Der frühere Justizminister Hristo Iwanow geht sogar davon aus, dass die SMS an Ministerpräsident Borisow namentlich von Usunow stammen könnte. Ministerpräsident Borissow bezeichnete den Wechsel des Repräsentanten als Skandal gegen den Staat, der Spannungen zwischen den Institutionen schüren soll. Auch die Reaktion des Vorsitzenden des Obersten Kassationsgerichts Losan Panow ließ nicht auf sich warten. Heute verließ er die Sitzung des Obersten Justizrates – mit der Begründung, er wolle nicht von Dimitar Uzunow vertreten werden bis dieser für den Tag der skandalösen SMS eine Verbindungsübersicht für sein Handy vorlege.

Selbst mit einfachsten Worten erklärt, sorgt dieser Kasus für Verwirrung. Ganz zu schweigen davon, dass er nur ein Bruchteil einer langen Reihe von präzendenslosen Widersprüchen der letzten Tage ist. Wegen dieses Skandals hat sich der Richterverband in einem Schreiben an die Europäische Kommission gewandt, in welchem er Alarm schlägt, dass sich die Exekutive in die Angelegenheiten der Justiz einmischt und diese Ereignisse in Bulgarien der gesamten Union schaden.

Auch der Juristenverband äußerte seine Besorgnis "über die rücksichtslose und grobe Einmischung des bulgarischen Regierungschefs in die Arbeit des Obersten Justizrates" und forderte ebenfalls das Eingreifen der Kommission. Die Nichtregierungsorganisation "Bulgarische Rechtsanwälte für Menschenrechte" kommentierte, der Skandal habe diverse Abhängigkeiten einzelner Mitglieder des Obersten Justizrates von der Exekutive ans Tageslicht gebracht. Die Bürgerinitiative "Justiz für alle" forderte den Obersten Justizrat auf, umgehend die Rechtstaatlichkeit zu verteidigen und aufzuklären, welches seiner Mitglieder die skandalöse SMS an Premier Bojko Borissow geschickt habe. Gleichzeitig empört man sich in vielen Städten des Landes über die Ineffizienz der Rechtsschutzorgane.

Im Zuge dieser Ereignisse ist der Oberste Justizrat nun in eine Mehrheit und eine Opposition gespalten. In einem Interview für eine Sofioter Zeitung erklärte ein Ratsmitglied heute, das Organ, das über die Korrektheit der Rechtsprechung zu wachen habe, sei zu einer Marionette geworden. Die Spannungen zwischen der Exekutive und der Judikative als auch innerhalb des Justizsystems sind nicht neu, brechen jedoch just im Vorfeld des für den 27. Januar erwarteten Fortschrittsberichts der Kommission zu Bulgarien aus. Die Ereignisse gefährden wichtige geplante Änderungen zum Gesetz über die Justizbehörde, zur Strafprozessordnung und zum Strafgesetzbuch und stellen damit die Legitimität aller Beteiligten an diesem Prozess in Frage.

Die Justizreform wurde gestoppt, noch ehe sie so richtig begonnen hatte. Letztendlich gilt aber auch dafür das Sprichwort : Alles Schlechte hat sein Gutes. Mit ihren Schreiben an die Europäische Kommission haben die Ständeorganisationen deutlich gemacht, dass sie gegen die Reformierung des Justizsystems durch kompromittierte nationale Behörden sind. In den oberen Machtetagen hat man scheinbar die Zuversicht verloren, dass man diese verantwortungsvolle Aufgabe allein bewältigen kann. Auch offizielle Vertreter sind für die Hilfe der Kommission bei der Umsetzung der Justizreform. Kürzlich erklärte Justizministerin Ekaterina Zahariewa gegenüber einem Vizekommissionspräsidenten, Bulgarien wolle Experten aus der Kommission zu Hilfe holen als auch aus Staaten, die den Reformprozess beobachten. Von ihren Machthabern enttäuscht, wird die Öffentlichkeit wohl kaum etwas dagegen einzuwenden haben.

Übersetzung: Christine Christov



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