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Regierung fordert Rücktritt des Obersten Justizrates

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„Wir fordern den Obersten Justizrat dazu auf, sich selbst aufzulösen“, hieß es in der offiziellen Erklärung des GERB-Fraktionsvorsitzenden Zwetan Zwetanow.
Foto: BGNES

Vor einem Monat hat sich die Regierungspartei GERB von ihrem Justizminister getrennt und Grundgesetzänderungen zur strukturellen und personellen Besetzung des Obersten Justizrates durchgebracht. Nun appelliert sie für den Rücktritt eben dieses Rates. Begründet wird die Forderung mit verspieltem Vertrauen, mit dem Unvermögen, seinen gesetzlichen Aufgaben nachzukommen, mit versuchter politischer Einflussnahme, mit der Lösung korporativer und wirtschaftlicher Interessen und der Vereinnahmung der Justiz durch undurchsichtige Kreise und Machtzentren. Der Juniorpartner der Regierung – der Reformblock – hat sich hinter die Forderungen gestellt, jedoch sein offizielles Statement im Zuge von Kontroversen in den eigenen Reihen um einen Tag aufgeschoben.

Die Forderung nach dem Rücktritt des Obersten Justizrates wurde einen Tag vor der Veröffentlichung des Jahresberichts der Kommission zu den Fortschritten Bulgariens in den Bereichen Justiz und Inneres laut. Mit diesem Schritt, so die Meinung der Mehrheit, wolle die Regierung das einmal mehr von Brüssel kritisierte Ausbleiben von Ergebnissen bei der Korruptionsbekämpfung sowie die Kritiken an der Ineffizienz der Staatsanwaltschaft und der abgesagten objektiven Prüfung einer ganzen Reihe von Korruptionsskandalen dämmen.

Allerdings können solche Parteierklärungen dem Obersten Justizrat nichts anhaben, da dieser als von der Judikative und Exekutive unabhängiges Gremium nur selbst über seine Auflösung entscheiden kann. Die Hälfte seiner gewählten Mitglieder wird zwar vom Parlament ernannt, doch liegt ein eventueller Rücktritt danach ausschließlich in ihrem eigenen Ermessen. Die andere Hälfte der gewählten Mitglieder wird von den Richtern und Staatsanwälten benannt, die seit geraumer Zeit äußerst geteilter Meinung sind. Falls es dennoch zum Rücktritt kommen sollte, würde sich die Frage nach der Wahl eines neuen Rates stellen. Der neue Rat würde laut Justizgesetz für die kommenden fünf Jahre gewählt. Dieses Gesetz soll jedoch im März novelliert werden. Hier stellt sich die Frage, ob die Änderungen zum Justizgesetz dann im Frühjahr nicht eine erneute Wahl des Obersten Justizrates bedingen würden?

Von der Lösung des Problems um den Obersten Justizrat hängt weitgehend auch der Fortgang der Justizreform ab. Neben den Rücktrittsforderungen appelliert die GERB-Partei nicht ohne Grund für einen politischen Konsens im Hinblick auf die rasche Verabschiedung der Novellen zum Justizgesetz und zum Strafgesetzbuch als auch auf die Verabschiedung eines Antikorruptions- und eines Antiterrorgesetzes.

Politischen Konsens gibt es jedoch nicht, nicht einmal auf Regierungsebene. Die Opposition rüstet sich wegen der Missstände im Gesundheitswesen für einen Misstrauensantrag gegen die Regierung. Und auch in der parlamentarischen Mehrheit selbst gehen die Meinungen auseinander. So hat beispielsweise die Patriotische Front, die der Regierung zwar nicht angehört, diese dennoch im Parlament unterstützt, erklärt, man sei gegen den geforderten Rücktritt des Obersten Justizrates, da das eine Einmischung in die Sachen der Justiz sei. Dergleichen Interpretationen waren auch von den Mitgliedern des Obersten Justizrates zu hören. Auch der vor einem Monat entlassene Justizminister Hristo Iwanow sprach sich gegen den kollektiven Rücktritt aus. Dieser, so Iwanow, würde die personellen Verantwortungen im Obersten Justizrat hinwegfegen. Zumal man sich bei jenen, die gegen das von der Kommission kritisierte Vorgehen der Mehrheit einen schweren Kampf geführt haben, eigentlich bedanken müsse.

Angesichts der komplizierten Situation räumte der Parteichef der Demokraten für ein starkes Bulgarien Radan Kanew ein, am besten wäre es, wenn mit dem Obersten Justizrat auch gleich die Volksversammlung aufgelöst würde, die "für die Schweinereien im Justizsystem die volle Verantwortung trägt." Nach Ansicht von Kanew müssten auch der Generalstaatsanwalt sowie der Vorsitzende des Obersten Verwaltungsgerichts ihre Ämter niederlegen. Beide gelten als Architekten der Mehrheit des Obersten Justizrates, die zu seinem heutigen kläglichen Zustand geführt hat.

Die Angelegenheit ist nicht nur kompliziert und schmerzhaft, sondern duldet offenbar auch keinen Aufschub.

Übersetzung: Christine Christov



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