Die jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise deuten darauf hin, dass man sich an den EU-Außengrenzen zur Verteidigung einrichtet, denn Ungutes braut sich zusammen. Anfang ausgehender Woche traf uns die Nachricht von zwei erfrorenen jungen Flüchtlingsfrauen im Alter von 16 und 30 Jahren. Ihre Leichen wurden unweit von Malko Tarnowo an der Grenze zur Türkei gefunden. Angaben des Innenministeriums zufolge waren sie Teil einer aus 19 illegalen Migranten bestehenden Gruppe, die von Schleppern in Stich gelassen wurde.
Ob aber Schlepper die Hand mit im Spiel hatten oder die Flüchtlinge selbständig unterwegs waren, bleibt unklar. Falls es Schlepper gegeben hat, haben sie die „Ladung“ auf türkischem Territorium vorbereitet und wurden dort von ihnen bezahlt. Falls die Gruppe sich auf eigene Faust auf den Weg gemacht hat, hat sie sich ebenfalls auf türkischem Territorium organisiert, sprich - die türkischen Behörden haben ein Auge zugedrückt, als sie die Grenze passiert haben.
Ob wohl eine Verbindung zwischen diesem Unglücksfall und der scharfen Äußerung des türkischen Präsidenten Erdogan vor wenigen Tagen besteht? Erdogan hat im Klartext gedroht, Ankara könne über 2,5 Millionen Flüchtlinge aus Syrien, die derzeit in Lagern in der Türkei untergebracht sind, weiter nach Westeuropa ziehen lassen. Man könne sich bis zu einem gewissen Punkt gedulden, dann aber das Tor aufmachen und ihnen gute Reise wünschen. Und die Route dieser „Reise“ führt über Bulgarien. Ob Erdogan nur blufft? Er ist unzufrieden, dass Ankara von der UNO weniger als eine halbe Milliarde Dollar für die Bewältigung der Flüchtlingskrise bekommt und die EU der Türkei 3 Milliarden Dollar versprochen hat. Laut Erdogan hätten die Flüchtlinge seinem Land bislang mehr als 9 Milliarden Dollar gekostet. Es ist nur allzu logisch, dass die Türkei einen höheren Einsatz fordert, um die Flüchtlingswelle weiter aufzuhalten.
Die Hypothese „Gute Reise“ hat auch Verteidigungsminister Nikolaj Nentschew kommentiert. Er schließe einen solchen Verlauf nicht aus, meinte er und sagte, wir müssten auf alle möglichen Szenarien gefasst sein. Um die Gemüter zu beruhigen versichert er, die bulgarische Armee verfüge über die notwendigen Ressourcen und könne ihre Militärpräsenz an den Grenzen um ein Mehrfaches aufstocken. Fragt sich nur was passiert, falls auch nur die Hälfte der Flüchtlinge, die derzeit in der Türkei aufgehalten werden, eines Tages an die Tore unserer Grenze „klopft“. Ob die „Militärpräsenz“ dann ausreichen würde, um der Lage Herr zu werden?
Auch die Visite vom EU-Kommissar für Inneres und Migration Dimitris Avramopoulos in Sofia zeugt von einer Schließung der Reihen vor einem eventuellen „Migrations-Zunami“. EU-Migrationskommissar Avramopoulos klopfte den bulgarischen Behörden auf die Schulter, lobte sie für ihren guten Job bei der Bewachung der Grenze. Avramopoulos erinnerte jedoch daran, dass Bulgarien an der Türkei angrenzt und Sofia die Verantwortung für den Schutz der EU-Außengrenzen trägt. Sollte sich die Türkei nicht allen Ernstes mit der Lösung des Flüchtlingsproblems engagieren, könnte die Lage ausufern.
Sofia zeigte sich voller Zuversicht. Innenministerin Rumjana Batchwarowa beteuerte, Bulgarien habe die Grenze zur Türkei hundertprozentig unter Kontrolle. Den Vorschlag der Visegrád-Staaten und vor allem Ungarns, unser Land solle die Grenze zu Griechenland abriegeln, das laut einigen EU-Ländern den Flüchtlingsandrang nicht bewältigen könne, tat sie als „inakzeptabel“ ab. „Wir sollten Griechenland unterstützen, da es unser Nachbar und Partner ist“, sagte Batschwarowa – was immer das auch heißen mag.
Was den finanziellen Aspekt angeht, will die EU nach Aussagen von EU-Migrationskommissar Avramopoulos unserem Land für die Zeitspanne 2014-2020 91 Millionen Euro für seine Arbeit mit Migranten zur Verfügung stellen. Wird das ausreichen oder handelt es sich dabei um nur um zugeworfene Krümel unterm Tisch? Die bulgarischen Behörden enthalten sich des Kommentars. Übrigens gibt es in Bulgarien keine eindeutigen Informationen darüber, wie viel den Steuerzahlern der Schutz der Grenzen und der Unterhalt der Migranten auf bulgarischem Territorium eigentlich kostet.
Noch ist Winter. Keine Jahreszeit für Massenmigration. Hoffentlich haben wir es hier aber nicht mit der sprichwörtlichen Ruhe vor dem Sturm zu tun.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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