„Die Krisen in Europa haben uns in den letzten Jahren deutlich gezeigt, wie sehr wir Volksparteien brauchen, die sich den Versuchungen des Populismus und Nationalismus nicht hingeben. Wir müssen mit den Nationalegoismen aufpassen.“ Das hat der bulgarische Ministerpräsident Bojko Borissow nur einen Tag nach dem Infarkt-Gipfel zu zwei für die EU schicksalhaften Themen erklärt – der Flüchtlingskrise und dem Verbleib Großbritanniens in der Union. Beide Fragen sind längst nicht ausdiskutiert. Teil der Diskussionen dazu wurde die gestrige Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sofia.
Die Politik der letzten Jahre zeichnet sich durch eine beispiellose Dynamik aus, die unweigerlich die Politik der Europäischen Union beeinflusst, ja bestimmt die Krim-Krise und der Ukraine-Konflikt, aber vor allem der Bürgerkrieg in Syrien und die daraus folgende menschliche Tragödie sprechen für sich. Diese Dynamik hat natürlich auch Auswirkungen auf die bulgarische Politik, wie Ministerpräsident Borissow auf der Konferenz ausführte.
„Wir haben einen Fehler begangen, als wir die illegale Grenzverletzung mit der legalen Immigration gleichgesetzt haben“, kritisiert der Regierungschef. „Ich bin überzeugt, dass mein Vorschlag über die Grenzschließung in der Europäischen Union beim bevorstehenden Gipfel angenommen wird. Wir müssen die Grenzen schließen und die Flüchtlinge nur über die Grenzübergangspunkte durchlassen. Dann werden sie dorthin kontrolliert hingebracht, wo Bedingungen für sie geschaffen worden sind“, so die Idee des bulgarischen Ministerpräsidenten.
Die Flüchtlingskrise, die Mittel- und Nordeuropa erreicht hat, ist ein Problem, mit dem die Außengrenzländer Italien, Griechenland und Bulgarien seit Jahren zu kämpfen haben. Die Situation verändert sich allerdings mit einer unerwarteten Schnelligkeit. Uns wird immer wieder vor Augen geführt, dass die Globalisierung zwar unzählige Möglichkeiten eröffnet, aber auch Gefahren mit sich bringt. Dem bulgarischen Außenminister Daniel Mitow zufolge ist die Terrorgefahr, die wir bis vor kurzem für imaginär hielten, heute inmitten unserer Welt anzutreffen.
„Im Nahen Osten und Nordafrika herrscht eine politische, wirtschaftliche und soziale Unsicherheit, die uns noch Jahrzehnte beschäftigen wird“, meint Mitow. „Im Osten mussten wir mit ansehen, wie die territoriale Integrität eines souveränen Staates verletzt wird, was die Prinzipien der europäischen Ordnung und Sicherheit in Zweifel gestellt hat. Viele unserer gemeinsamen Politiken erfordern Standfestigkeit und wir sind überzeugt, dass nur langfristige Entscheidungen zu einer dauerhaften Stabilisierung führen können. Deshalb brauchen wir in der Europäischen Union mehr Integration und mehr Solidarität“, fordert Daniel Mitow.
Diese These vertrat auch der deutsche Botschafter in Sofia, Detlef Lingemann. „Wir müssen unseren Bürgern zeigen, dass die EU mehr ist, als nur ein gemeinsamer Binnenmarkt“, sagte er und betonte, Europa baue auf Bulgarien als einen Stabilitätsfaktor in der Region und schätze das Land als aktiven Partner in der EU und in der NATO. Botschafter Lingemann hatte aber auch Kritik an die bulgarische Regierung loszuwerden:
„Dauerhafte Stabilität erfordert Reformen auch im Inneren und Bulgarien ist auf dem richtigen Weg. Der Fortschrittsbericht bescheinigt Bulgarien Reformfortschritte, fordert aber auch, den eingeschlagenen Weg nun auch entschlossen fortzusetzen. Reformen eröffnen neue Möglichkeiten nicht nur für ausländische Investoren in ihrem Land. Ich glaube, dass die Attraktivität für viele gut ausgebildete im Ausland lebende junge Bulgaren steigen wird.“
Ministerpräsident Borissow ging darauf ein und ließ es sich nicht nehmen, auf die Vorhaben seines Kabinetts hinzuweisen. Bulgarien erwarte als Folge des Fortschrittsberichts Experten aus Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden, die die Arbeit der bulgarischen Staatsanwaltschaft verbessern sollen.
„Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir die Justizgesetze verabschieden, allen voran das Antikorruptionsgesetz“, kündigte der Regierungschef an. „Wir schaffen damit ein Korruptionsbekämpfungsamt, das als eine Art Staatsanwaltschaft funktionieren soll. In den letzten Wochen ist uns deutlich geworden, dass es für Bulgarien keinen Weg der Kompromisse geben kann. In nur einem Jahr haben wir infolge der entschiedenen Bekämpfung des illegalen Schmuggels knapp 1,4 Milliarden Euro in die Staatskasse fließen lassen. Mit den gestoppten öffentlichen Aufträgen für 850 Millionen Euro haben wir vermutlich Korruptionsnetze zerschlagen. Es ist nur allzu verständlich, dass die Reaktionen gegen die Regierung heftig sind. Eins kann ich allerdings versichern – wir halten an diesem Kurs fest und er findet die Unterstützung der EU-Kommission und des Kommissionspräsidenten höchstpersönlich“, sagte abschließend Ministerpräsident Borissow.
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