Den Begriff „persona non grata“ hatten wir bis vor kurzem beinahe ganz vergessen – schließlich kommt es seit dem Ende des Kalten Krieges nicht oft vor, dass ein Diplomat eines verfeindeten Landes ausgewiesen wird. Vor 1989 war das Gang und Gebe. Nun kehrt das diplomatische Spielchen mit einem Schlagabtausch zwischen Bulgarien und der Türkei zurück.
Zur Begriffserklärung: Der Ausdruck „persona non grata“ bezeichnet den Status eines Angehörigen des diplomatischen Dienstes, deren Aufenthalt von der Regierung des Gastlandes nicht mehr geduldet wird. Häufige Gründe für einen „diplomatischen Rauswurf“ sind Spionageverdacht gegenüber einem Diplomaten oder aber auch eine Form der Reaktion, wenn die eigenen Diplomaten zur Persona non grata erklärt wurden. All das findet sich auch im jüngsten Kräftemessen zwischen Sofia und Ankara wieder. So musste letzte Woche der türkische Diplomat an der Konsularstelle in Burgas, Ouigour Emiroglu, das Land binnen 72 Stunden verlassen. Das Außenministerium in Sofia enthielt sich jeglichen Kommentars, wie es in solchen Fällen „üblich“ sei. Das mag auch so sein, öffnet aber den Medien in beiden betroffenen Ländern eine breite Front der möglichen Spekulationen und Aufheizung der Stimmung. Und sie haben sich dieser Chance bedient.
So haben wir aus der Presse erfahren, dass Emiroglu wohl alles andere, als ein türkischer Diplomat in Bulgarien war, wie es die Wiener Konvention definiert. Der Mitarbeiter der türkischen Konsularstelle in Burgas habe sich vorwiegend religiöser Tätigkeit gewidmet und für den Islam geworben, was natürlich weit von seinem diplomatischen Auftrag entfernt ist. Es stellte sich auch heraus, dass Ouigour Emiroglu vor seiner Versetzung nach Burgas im vergangenen Jahr Mufti in vielen türkischen und europäischen Städten war, darunter Bursa in der Türkei und Straßburg in Frankreich. Mit dem diplomatischen Pass in der Tasche machte er sich in Bulgarien durch die Ortschaften auf die Reise, die überwiegend von bulgarischen Moslems besiedelt sind. Er habe den Imamen mit Rat und Tat bei Seite gestanden, wie sie das Gebet richtig abhalten sollen. Mehr noch – Ouigour Emiroglu habe in Wahlzeiten für die bulgarische Türkenpartei DPS geworben.
„Ouigour Emiroglu gehört zu jenen gut profilierten Agenten der türkischen Geheimdienste, die ausschließlich auf dem Gebiet der Religionsfragen tätig sind“, behauptete Valeri Simeonow, Co-Vorsitzender der Patriotischen Front, die das Kabinett in Bulgarien unterstützt. Ihm zufolge zeige die Biografie des türkischen Diplomaten, wie präzise der türkische Geheimdienst arbeite und wie wichtig es für ihn sei, die bulgarischen Moslems zu beeinflussen. Dem nationalistischen Abgeordneten stimmten auch bulgarische Sicherheitsexperten zu, die behaupten, Emiroglus Tätigkeit in Bulgarien ziele auf die „Ausweitung des Agenturnetzes“ und die Propaganda des Neo-Osmanismus in Bulgarien ab.
Zurück auf dem Feld der Diplomatie ließ die türkische Antwort auf die Ausweisung des Diplomaten aus Burgas nicht lange auf sich warten. Die erste Sekretärin an der bulgarischen Konsularstelle in Istanbul, Sorniza Apostolowa, muss die Türkei umgehend verlassen. Auch in diesem Fall ist das Außenamt in Ankara nicht verpflichtet, sich zu erklären, was es auch nicht getan hat. Es ist aber schwer vorzustellen, dass Frau Apostolowa durch Istanbuls Straßen gezogen ist, um das orthodoxe Christentum zu predigen.
Hinter den Kulissen ist deutlich Bewegung eingetreten. Im Laufe der erhitzten Debatte über die diplomatischen Manöver erklärte der Obermufti Bulgariens, Mustafa Hadji, die muslimische Glaubensgemeinschaft in Bulgarien würde sich zu 40 Prozent von der Türkei finanzieren. Noch bevor Ouigour Emiroglu zur Persona non grata erklärt wurde, richtete das Parlament in Sofia einen Sonderausschuss ein, der klären soll, ob es Einflüsse der Türkei und Russlands auf die bulgarische Politik gebe. Hintergrund ist, dass die Spannungen zwischen der Türkei und Russland nach dem Abschuss des russischen Kampfflugzeugs über der Türkei eine indirekte Fortsetzung in der bulgarischen Innenpolitik hatten. In Reaktion auf den Zwischenfall verteidigte der inzwischen abgesetzte Vorsitzende der Türkenpartei DPS, Lütvi Mestan, den Jet-Abschuss, während der Gründer und Ehrenvorsitzender Achmed Dogan offensichtlich anderer Meinung ist und setzte seinen Nachfolger Mestan kurzerhand ab. Hinter der daraufhin angesetzten Spaltung in der einflussreichen Türkenpartei Bulgariens versteckt sich vermutlich mehr, als nur ein Streit unter Glaubensgenossen.
Deutsche Fassung: Vessela Vladkova
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