Die Pleite der viertgrößten bulgarischen Bank KTB wird uns vermutlich noch lange beschäftigen. Zum einen, weil wir alle das Darlehen von knapp 2 Milliarden Euro für die Auszahlung der staatlich garantierten 100.000 Euro aus dem Einlagensicherungsfonds zurückzuzahlen haben. Und zum anderen, weil wir doch alle wissen wollen, was genau eigentlich passiert ist. Dieser Tage sollte ein Bericht Licht ins Dunkel der KTB-Sache bringen, hat er aber nicht. Oder vielleicht noch nicht?
Alles begann am 20. Juni 2014 mit einem Banken-Run hunderter Anleger. Der Mehrheitseigner der Korporativen Handelsbank, Zwetan Wassilew, hatte Sofia bereits wenige Tage vor dem Banken-Run verlassen. Nach einem mehrwöchigen Aufenthalt in Wien setzte er sich schließlich in Belgrad ab, wo er bis heute auf seine Auslieferung an Bulgarien wartet. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft in Sofia vor, rund 100 Millionen Euro für persönliche Zwecke auf die Seite geschafft zu haben. Nicht, dass dies nicht ausreichen würde, um wissen zu wollen, ob der Bankchef die KTB ausbluten ließ. Viel heikler ist, dass es sich bei der Pleite der viertgrößten Bank in Bulgarien um eine politische Affäre handeln könnte. Einer der Hauptdarsteller dürfte der famose Großunternehmer und Abgeordneter der Türkenpartei Deljan Peewski sein, der gerade eine schwierige Zeit durchzumachen scheint. Er verkauft derzeit Aktien in seinen unzähligen Unternehmen, und man munkelt, er wolle sich ganz aus seinem Geschäft und der Politik zurückziehen. Vermutlich hat er mit der Pleite der Korporativen Handelsbank zu tun, um es gelinde auszudrücken.
Die vermeintliche Absicht bei der Ausblutung der Bank sollte der besagte Bericht beleuchten. Ein Jahr nach der Schließung der KTB bleiben Milliarden Euro noch immer verschwunden. Die KTB-Insolvenzverwalter vom staatlichen Einlagensicherungsfonds hatten Ende Juni 2015 das Beratungsunternehmen AlixPartners beauftragt, die Affäre aufzuklären. Doch, der bereits Ende September 2015 vorgelegte, aber erst jetzt beschränkt öffentlich gemachte Bericht wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet.
"Ich will den AlixPartners-Bericht veröffentlichen und das Thema KTB abschließen", verkündete Bulgariens Ministerpräsident Bojko Borissow in seiner typischen Basta-Manier. Gesagt – getan. Der knapp 600 Seiten starke Bericht liegt nun den 240 Abgeordneten der bulgarischen Volksversammlung in einem einzigen Exemplar in englischer Sprache zur Verfügung. Eine Übersetzung ins Bulgarische untersagte AlixPartners, da nicht gewährleistet werden könne, dass sein komplexer Inhalt korrekt übertragen werde. Was natürlich den Kreis der Eingeweihten deutlich einschränkt, da bei weitem nicht alle 240 Volksvertreter der englischen Sprache mächtig sind. Aber selbst sprachenbegabte Abgeordnete haben aus dem sagenumwobenen Werk des Beratungsunternehmens nicht viel mitnehmen können. Ausgerechnet der Part, der das Beziehungsgeflecht zwischen der KTB und rund einhundert kreditierten Unternehmen darstelle, sei in einer derart kleinen Schrift abgefasst, dass man die Firmennamen nicht einmal mit der Lupe lesen könne, empörten sich Abgeordnete, die bereits Einsicht bekommen haben. Und auch inhaltlich bringe der Bericht nicht jene Antworten, die man gern darin finden will. Ein Abgeordneter, der sich ebenfalls durch die 600 Seiten durchgekämpft hat, bezeichnete den Bericht als "völligen Reinfall". Denn die Erwartungen waren hoch gesteckt: Als AlixPartners engagiert wurde, hieß es, die Firma könne gerichtsverwertbare Beweise liefern und so helfen, die verschwundenen Milliarden wiederzubeschaffen. Den vorgelegten Bericht hätte auch jede bulgarische Bilanzbuchhaltungsfirma erstellen können, lautet nun die Kritik aus dem Parlament. Davon will Finanzminister Wladislaw Goranow nichts wissen. "Ich weiß nicht, was man sich von diesem Bericht erwartet hat außer der Schlussfolgerung, dass die Bank durch die schlechten Praktiken ihrer Eigentümer und ihrer Geschäftsführung dekapitalisiert wurde", sagte er. Die kursierende Behauptung, Bulgarien habe AlixPartners für den innerhalb von drei Monaten abgefassten Bericht die kolossale Summe von 22 Millionen Dollar bezahlt, dementierte er: "Soweit mir bekannt ist, hat er 800.000 Euro gekostet."
Als es kritisch wurde um die KTB, dachten viele in Bulgarien unweigerlich an die Bankenkrise von 1996/97, als 18 Kreditanstalten bankrott gegangen und die Ersparnisse von Tausenden Bankkunden auf Nimmerwiedersehen verschwunden sind. Der Ursprung beider Krisen – von 1996 und von 2014 – ist nicht der gleiche. Vor 20 Jahren durfte jeder, der irgendwie an Geld gekommen war, eine Bank aufmachen, ohne den Ursprung des Kapitals detailliert nachweisen zu müssen. Die meisten in den 1990er Jahren entstandenen Kreditinstitute hatten sich einfach Geld vom Staat, bzw. von den damals noch staatlichen Banken ausgeliehen, das sie nie zurückgezahlt haben. So führte die Bankenkrise zu einem wirtschaftlichen Kollaps. Die Schuldenspirale war nicht mehr zu stoppen. 1995 verbuchten nur vier der insgesamt 47 Banken in Bulgarien einen Gewinn. Das Vertrauen der Anleger war futsch. Und das ist Gift für das Bankengeschäft.
Aus diesem Fehler hat Bulgarien gelernt. Die Bankenreform, die 1997 ansetzte, ist im Grunde genommen jene Reform, die Europa nach der jüngsten Schuldenkrise durchgeführt hat. Die damals in Bulgarien eingeführten Regeln sind zum Teil strenger, als die heute in der EU geltenden Anforderungen an die Banken. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die gesetzliche Gesamtkapitalquote in Bulgarien liegt bei 17,7 Prozent, während sie in der EU lediglich 8 Prozent beträgt.
Doch, dennoch beschäftigen uns auch 20 Jahre nach dem Finanzzusammenbruch genau die gleichen Fragen, wie auch nach der KTB-Pleite: War es Absicht? Und wenn ja – wessen? Drei Mal dürfen Sie raten, ob diese Fragen je eine zufriedenstellende Antwort finden werden.
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