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Die Bürgerwehr – brauchen wir sie wirklich?

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Peter Nizamow
Foto: Bulfoto

Das Gericht in der Schwarzmeerstadt Burgas hat Peter Nizamow unter Hausarrest gestellt. Der Grund ist sein selbststolzierendes Video auf Facebook, das ihn bei der Festnahme von drei afghanischen Flüchtlingen in den Wäldern des Strandscha-Gebirges zeigt. Nizamow erklärte in der Untersuchungshaft, er habe die illegalen Grenzverletzer aus "patriotischen Gefühlen" festgenommen. Das konnte das Gericht nicht überzeugen.

Solche Bürgerwehren wurden vom Ministerpräsident Borissow zunächst begrüßt. Spontan erklärte er, er sei "den Jungs dankbar", warnte aber zugleich, sich am Gesetz zu halten. Die Menschenrechtler reagierten auch sofort und wandten sich an das Innenministerium, Maßnahmen, die über dem Gesetz stehen, nicht zuzulassen. In der Tat – "Bürgerarrest" existiert in der bulgarischen Gesetzgebung. Juristen zufolge sei er aber gegenüber Migranten nicht anzuwenden, auch wenn sie illegal über die Grenze gekommen sind.

Das Phänomen der Bürgerwehr tauchte zum ersten Mal im Februar auf. Bei allen weiteren Vorfällen stellte sich immer heraus, dass es sich um Vorbestrafte handelt. Die Reaktionen in der bulgarischen Öffentlichkeit sind widersprüchlich. Viele meinen, dass angesichts der Flüchtlingswelle diese Bürgerwehren legalisiert werden sollen, um die Grenzpolizei zu unterstützen. Viele sind aber auch empört und bezeichnen die jungen Männer mit Glatzköpfen als nationalistisch eingehauchte Soziopathen, die unter Kontrolle gestellt werden sollten.

Dass die sog. Bürgerarreste mit dem Gesetz nicht vereinbar sind, klärte bereits im Februar Innenministerin Rumjana Batschwarowa. Sie bezeichnete die Aktion der Bürgerwehr als eine Provokation, um zu zeigen, dass die Behörden mit der Überwachung der Grenze nicht allein zurecht kommen. Sie zitierte auch konkrete Angaben: 2015 sind 30.000 Flüchtlinge in Bulgarien registriert worden, weitere 100.000 seien an der Durchreise durch Bulgarien gehindert worden.

In der Regierungskoalition in Sofia ist man sich darüber nicht ganz einig. Die Patriotische Front behauptet, die Grenzpolizei sei überfordert und deshalb seien die Bürgerwehren zu unterstützen. Mehr noch – die Partei will den Bürgerwehren juristischen Beistand sichern. Die Kritiker der Bürgerwehr in der Politik fordern aber, dass diese "kahlkopfgeschürte Jungs" in die Schranken zu weisen sind. Die oppositionellen Sozialisten sehen in den freiwilligen Helfern ein Zeichen für die Unfähigkeit der Behörden, die Grenzen zu schützen.

Unter dem Strich handelt es sich um zwei Vorfälle im Südosten des Landes. Es kann keinesfalls die Rede von einer Unfähigkeit der Grenzpolizei gesprochen werden, mit dem Flüchtlingsandrang allein fertig zu werden. Sie tat es, als Bulgarien den Höhepunkt der Flüchtlingswelle 2013 erlebte, sie wird es wohl auch jetzt schaffen. Bulgarien braucht keine Diskussion über die Bürgerwehr, sondern viel mehr eine kontinuierliche Migrationspolitik.

Deutsche Fassung: Vessela Vladkova



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