Schnell sein. Das ist im Nachrichtengeschäft wichtig. Aber fast schon wichtiger ist, glaubwürdig zu bleiben. Und das geht nur, wenn geprüft und kühl berichtet wird.
Die letzten Wochen haben die Nachrichtenmacher weltweit erneut auf den Prüfstand gebracht. So war der Putschversuch in der benachbarten Türkei für bulgarische Medien besonders brisant. Noch bevor jemand überhaupt einordnen konnte, was dort passiert, gingen die privaten Fernsehanstalten auf Sendung. Ein auf die Schnelle zusammengeschnittenes Titelbild versetzte den Zuschauer sofort in Panik. Moderatoren mit ernsten Minen sagten Handyvideos an, die kein komplettes Bild der Geschehnisse liefern. Schlägerei auf Istanbuls Straßen, im Hintergrund sind Schüsse zu hören. Wer feuert sie ab, will man als Zuschauer wissen. Doch, die Antwort bleibt aus, denn zu diesem Zeitpunkt wusste nicht einmal der türkische Präsident, was genau in seinem Land vor sich geht. Dann rollt ein Panzer durchs Bild, doch wohin und für wen er da rollt, will man vor dem Bildschirm wissen. Es sind Bruchstücke, aufgenommen mit Handykameras, verwackelt und unscharf, die nur Fetzen von Information und ohne Reflektion weitergeben. An Bedeutung gewinnen solche Videos erst nach Auswertung und Recherche der Journalisten in den traditionellen Medien. Das gleiche Szenario arbeitete man dann eine Woche später ab, nur der Tatort war ein anderer: zunächst München, dann Ansbach. Als verlässliche Informationsquellen erwiesen sich in Bayern lebende Bulgaren. Verständlich, dass jeder ganz subjektiv den Amoklauf im Olympia-Einkaufszentrum und das Konzert in Ansbach erlebt hat.
Der Bulgarische Rundfunk informierte im Stundentakt mit Nachrichten und brachte am Tag darauf eine Sondersendung zur Türkei mit Analysen und Prognosen von erwiesenen politischen Beobachtern und Türkei-Kennern. Ähnlich, wie in Deutschland, stellte sich auch hier die Frage, warum die öffentlich-rechtlichen Sender – ob Fernsehen oder Radio – nicht sofort pausenlos berichtet haben? Auch hier ist man mittlerweile so gut vernetzt, dass jeder sofort via facebook und twitter erfahren hat, es passiert etwas. Uns, Journalisten, geht es da nicht viel anders, wenn der Newsticker im Sekundentakt auf dem Smartphone tickt. Doch, ein Rattenrennen mit den Social Media bringt weder uns, noch unsere Zuschauer und Hörer weiter. Im Gegenteil – ständig wiederholte Gewaltszenen ohne Zusammenhang verbreiten nur ein Gefühl der Hilflosigkeit. Und genau das wollen Terroristen erreichen. Solche Bilder und Bruchstücke von Information mögen zwar schnell zum User rüberkommen, sie stärken aber die Glaubwürdigkeit, dieses höchste Gut der Medien, nicht, sondern schaden ihr.
Die sozialen Netzwerke sind eine schier unerschöpfliche Informationsquelle – ohne Zweifel! Die Frage ist viel mehr, wie man sie nutzt und verwertet. Soziale Netzwerke sind von unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Einer der Täter von Paris filmte und sendete live. Selbst der türkische Präsident, der in den Social Media einen Erzfeind sieht, rettete sein Regime nur dank einer App. Wir sind es inzwischen gewohnt, Informationen im Eiltempo zu bekommen. Und fordern es auch. Die Einordnung des Geschehens bleibt aber auf der Strecke. Dabei darf man nicht vergessen, dass auch wir, Medien, uns in einem Krieg mit dem Terrorismus befinden. Jede Verbreitung von Gewalt und Verbrechen bedient gewaltbereite Terroristen. Da macht die Schnelligkeit im Nachrichtengeschäft der Qualität Platz.
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