Sendung auf Deutsch
Textgröße
Bulgarischer Nationaler Rundfunk © 2024 Alle Rechte vorbehalten

Reporter am Tatort: Nikolaj Hristow

БНР Новини
Foto: Archiv

Meistens hat er Informationen, die seine Kollegen nicht haben. Meistens ist er der erste, der von einem Tatort berichtet – sei es Raub, Mord oder Massenkarambolage. Er setzt Maßstäbe in einem Berichterstattungsbereich, wo man sich sehr leicht der Sensation hingeben könnte. Er heißt Nikolaj Hristow und ist der Kriminalreporter im Hauptprogramm des Bulgarischen nationalen Rundfunks.

Es gibt einfach Grenzen, die man nicht überschreiten darf“, sagt Nikolaj Hristow. Dazu gehört auch, dass er viele Backgroundinformationen für sich behält. Doch, das aller Wichtigste ist und bleibt, vom Tatort zu berichten, ohne seine eigene Meinung zu äußern. Und das möglichst schnell.

Die Schnelligkeit kommt mit der Erfahrung“, sagt der Reporter, der seit 15 Jahren auf diesem Gebiet arbeitet. „Nach so vielen Jahren im Nacken kennt man das System in- und auswendig. Die Kontaktpflege ist in unserem Job sehr wichtig“, sagt Nikolaj Hristow.

In seinen ersten Reporterjahren hatte er nicht daran gedacht, eines Tages von Tatort zum Tatort zu eilen. Er bereut es ganz und gar nicht.

Mit der Zeit merkte ich, dass mir das Thema viel mehr Emotionen bietet, als andere Berichterstattungsbereiche“, sagt Nikolaj Hristow. „Als Kriminalreporter bin ich nonstop erreichbar. Alles läuft schnell ab, aber man gewöhnt sich daran“, sagt der Reporter.

In diesem Job ist es sehr wichtig, abschalten zu können, denn sonst wird man sich sehr schnell in einer Anstalt wiederfinden“, sagt Nikolaj Hristow weiter. „Am Tatort sehe ich manchmal Dinge, die nicht jeder verkraften kann. Ich begleite die Kriminalbeamten und würde meinen Job nicht gut machen können, wenn ich jede Geschichte persönlich nehmen würde“, erzählt der Reporter.

Wie hat sich die Kriminalität in den Jahren verändert? Bulgarien hat leider immer noch große Probleme mit dem organisierten Verbrechen. Kann das ein Insider, wie Nikolaj Hristow, bestätigen?

In den Großstädten sieht es mittlerweile anders aus, als in den 1990er Jahren, als man überall protzige Mafiabosse in Trainingshosen und mit Baseballschlägern in der Hand sehen konnte. In den Kleinstädten hat sich aber nichts geändert“, behauptet Nikolaj Hristow.

In der Tat – die Underground-Bosse tragen heute teuere Anzüge und gehen abends nicht in die Disko, sondern in eine Piano-Bar. Dieser Lifestyle lässt sich teilweise aus dem Drogenschmuggel bezahlen, der in Bulgarien nach wie vor blüht.

Besonders gefragt sind Besitzer von Yachten, die helfen, bestimmte `Pflanzen` über den Atlantik zu transportieren“, schmunzelt Nikolaj Hristow. „Bulgarien mischt in den großen Verbrechernetzen mit. Die großen Drogenmengen, die man immer wieder an bulgarischen Grenzen sicherstellt, gehören aber nicht der bulgarischen Mafia. Bulgarien ist ein kleines Land und entsprechend klein sind auch seine Verbrecher – hier kann sich niemand leisten, einen Schmuggelkanal für Dutzende Kilogramm Kokain aufzubauen und zu unterhalten. Vielmehr helfen die Bulgaren bei der Logistik aus“, meint der erfahrene Kriminalreporter.

Was muss sich tun, um das organisierte Verbrechen und allgemein die Kriminalität in Bulgarien einzuschränken?

Das größte Problem in Bulgarien ist die weit verbreitete Überzeugung, dass man unbestraft davon kommt“, sagt Nikolaj Hristow. „Diese Überzeugung hat sich sowohl bei den Tätern durchgesetzt, als auch bei den Opfern. Wohin man auch schaut – ob es sich um einen Diebstahl in einem Dorf handelt, oder um eine Schlägerei unter Teenagern, oder um Finanzbetrug im Bankensektor – überall gilt, dass die Täter unbestraft davon kommen. Eine weit verbreitete Erklärung ist, dass die Polizei dermaßen korrupt ist, dass sie deshalb entweder nicht ermittelt oder gegen Bezahlung untaugliche Beweise fürs Gericht sammelt. Ob das stimmt, kann ich nicht sagten“, sagte abschließend der Kriminalreporter beim Bulgarischen Rundfunk Nikolaj Hristow.

Übersetzung: Vessela Vladkova



Последвайте ни и в Google News Showcase, за да научите най-важното от деня!

mehr aus dieser Rubrik…

Köche aus ganz Bulgarien finden sich zum Festival „Babina duschiza“ in Montana ein

Am 22. Juni treffen sich über 30 Köche aus dem ganzen Land zum Kochfestival „Babina duschiza“ in Montana. Der Name des Festes geht auf die Heil- und Gewürzpflanze Thymian zurück. Im Nordwesten Bulgariens wird der Thymian „Babina..

veröffentlicht am 22.06.24 um 10:25

Tage des Yoga bringen Liebhaber spiritueller Praktiken in Bulgarien zusammen

In den Tagen um den 21. Juni herum wird in vielen Ländern der Welt zum zehnten Mal in Folge der Tag des Yoga begangen. In Bulgarien werden vom 15. bis 23. Juni 44 Orte mit verschiedenen Programmen an den Feierlichkeiten teilnehmen. Der Höhepunkt in..

veröffentlicht am 22.06.24 um 09:30
Foto: Facebook / Juristische Fakultät der SU

Die Sprache des europäischen Rechts ist die Grundlage für den ältesten spezialisierten Masterstudiengang in Bulgarien

Mitten in der diesjährigen Bewerbungskampagne klingt die Frage, welches das begehrteste Fach an der Sofioter Universität „Heiliger Kliment Ochridski" ist, rhetorisch. In den letzten vier Jahren war der Studiengang Rechtswissenschaften an der..

veröffentlicht am 17.06.24 um 12:20