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Nach der Tagung des Sicherheitsrates: Klar ist, dass nichts klar ist

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Foto: president.bg

Die angespannt erwartete Tagung des Sicherheitsrates beim Präsidenten ist gestern – wie zuvor auch die Sondierungsgespräche des Staatschefs – ohne nennenswerte Ergebnisse zu Ende gegangen. Erwartet wurden konkrete Schritte für den Ausweg aus der politischen Krise. Und zu einem Ausweg wird es offensichtlich erst nach den drei Anläufen im Parlament zur Regierungsbildung kommen. Die Verfassung schreibt es vor – der erste Auftrag zur Regierungsbildung wird Präsident Plewneliew am Freitag überreichen.

Als erste wird die bisherige Regierungspartei GERB den Auftrag bekommen, denn sie stellt die größte Fraktion im Parlament. Noch nach dem Regierungsrücktritt hatte Ministerpräsident Borissow keine Zweifel aufkommen lassen, dass er und seine Partei es nicht noch einmal versuchen werden, ein Kabinett zu bilden. Dies bestätigte er gestern wiederholt. Kein Kabinett bilden will auch die zweitgrößte parlamentarische Kraft – die oppositionelle sozialistische Partei. Wenn auch sie auf die Regierungsbildung verzichtet, muss der Präsident eine dritte Parlamentspartei nach eigener Wahl beauftragen und somit einen letzten Versuch einleiten, ein Kabinett in diesem Parlament zu bilden. Dazu bereit hat sich bei der gestrigen Tagung des Sicherheitsrates die Patriotische Front erklärt. Sie stellte aber auch die ausdrückliche Bedingung, dass sie auch von den anderen Parteien im Parlament unterstützt wird. Die bürgerliche GERB schulde den Patrioten diese Unterstützung, sagte Regierungschef Borissow, denn die Patriotische Front war seiner Minderheitsregierung eine wichtige Stütze im Parlament. Die politischen Beobachter zweifeln jedoch diese Möglichkeit an, denn Borissow hat ebenfalls mehrfach erklärt, das jetzige Parlament habe sein Potential ausgeschöpft. Darüber hinaus würde es bei dem jetzigen Kräfteverhältnis zu einem ähnlichen komplizierten Konstrukt in der Regierung kommen, wie die zurückgetretene Regierung ohnehin schon war. Ein weiterer Grund, die Unterstützung der GERB-Partei für ein eventuelles Kabinett der Patrioten zu bezweifeln, ist die erklärte Absicht der Patriotischen Front, Minister aus dem jetzigen Kabinett Borissow zu übernehmen. Das würde Borissow bestimmt nicht zulassen.

Auch der Juniorpartner in der bisherigen Regierung, der konservative Reformblock, äußerte seine Bereitschaft, den Regierungsauftrag zu übernehmen, denn das Potential des jetzigen Parlaments sei noch nicht ausgeschöpft. Die Parteispitze sei sich jedoch über die Bedingungen nicht einig, unter welchen sie ein Kabinett unterstützen oder bilden würde.

Die Hypothesen sind so verschwommen, dass nicht einmal der Vorsitzende der Patriotischen Front Valeri Simeonow Stützenhilfe von den Sozialisten ausschließen kann. Doch, selbst, wenn eine Regierung im jetzigen Parlament zustande kommen sollte, wäre sie von kurzer Dauer, denn eins steht fest – es wird vorgezogene Parlamentswahlen geben.

Sollte auch der dritte Anlauf des Präsidenten im Parlament scheitern, wird er eine Übergangsregierung ansetzen müssen. Darin hat er Übung – es wäre seine dritte in den fünf Jahren von Plewneliews Amtszeit. Diese endet am 22. Januar, wenn sein gewählter Nachfolger Rumen Radew die Geschäfte übernehmen wird. Es war erwartet, dass Plewneliew und Radew gemeinsam die Interimsregierung aufstellen, wenn es soweit ist. Nach Radews Absage aber, sich an der gestrigen Tagung des Sicherheitsrates zu beteiligen, schließen die Beobachter diese Möglichkeit mehr oder weniger aus. Wie es scheint, will sich der nächste Staatschef mit den Entscheidungen des Sicherheitsrates nicht engagieren und zieht es vor, eine eigene Interimsregierung aufzustellen, wenn er im Januar die Amtsgeschäfte übernimmt.

Die Sondierungsgespräche dauern also weiter an, und parallel dazu laufen auch die Beratungen über eine eventuelle Wahlrechtsreform. Denn unklar ist immer noch, wie das nächste Parlament im nächsten Jahr gewählt werden soll – nach dem beim Referendum geforderten Mehrheitswahlrecht, nach der Verhältniswahl oder in einem gemischten Wahlsystem. Ebenfalls gestern fand dazu eine Diskussion im Parlament statt, die der Rechtsausschuss organisiert hat. Darauf wurde klar, dass die großen Parteien trotz des Referendumsergebnisses nicht bereit sind, eine Wahlrechtsreform „um 5 vor 12“ durchzuboxen. Das macht die politische Lage in Bulgarien nicht gerade einfach.

Deutsche Fassung: Vessela Vladkova



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