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Die politischen Ereignisse 2016

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Die Präsidentschaftswahlen 2016 brachten nicht nur einen neuen Staatschef, sondern auch einen bevorstehenden Parlaments- und Regierungswechsel unter veränderten politischen Bedingungen.
Foto: BGNES

Traditionsgemäß wenden wir uns Ende Dezember den wichtigsten Ereignissen im ausgehenden Jahr zu. Diese Tradition wollen wir natürlich auch diesmal, an der Grenze zwischen 2016 und 2017 einhalten.

Auswertungen dieser Art sind in der Regel immer etwas riskant. Trotzdem wäre es wohl nicht übertrieben zu behaupten, dass die Präsidentschaftswahlen das politische Ereignis 2016 waren. Sie werden uns diesmal nicht nur einen neuen Staatschef, sondern auch eine neue Regierung bescheren. Die Regierungspartei GERB hat nämlich alles auf ihre Kandidatin Zezka Zatschewa gesetzt und als sie das Rennen gegen ihren Rivalen Rumen Radew verloren hat, reichte das zweite Borissow-Kabinett kurzentschlossen seinen Rücktritt ein. Wichtig waren diese Wahlen auch deshalb, weil sie gezeigt haben, dass die Bulgaren von den bisherigen Politikern enttäuscht sind und neue im Anmarsch sind. Am politischen Horizont zeichnen sich mindestens zwei neue politische Subjekte auf, die hoch hinaus wollen – die Partei „Willen“ des Geschäftsmanns Wesselin Mareschki und das politische Projekt des früheren Justizministers Christo Iwanow namens "Ja, Bulgarien".

In negativer Erinnerung bleibt uns auch die ins Wasser gefallene Bewerbung Bulgariens für den Posten des UN-Generalsekretärs. Die bulgarische Regierung hatte zuerst die Generaldirektorin der UNESCO Irina Bokowa dafür nominiert, stellte aber in letzter Sekunde auch die alternative Kandidatur von EU-Haushaltskommissarin Kristalina Georgiewa auf. Die traurige Tatsache, dass sich Bulgarien die einzigartige Chance verscherzt hat, eine Landsfrau an die Spitze der UNO zu hieven, wird uns noch lange präsent sein. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie gezeigt hat, dass die heimischen Politiker außerstande sind, ihre engparteilichen Interessen im Namen der Nation zurückzustecken.

Die Probleme rund um den Flüchtlingsandrang haben das ganze Jahr über unseren Alltag geprägt. Knapp 19.000 illegale Migranten sind nach Bulgarien geströmt, die Flüchtlingsaufnahmezentren sind aus allen Nähten geplatzt, in einigen ist es zu Unruhen gekommen, die weltweit für Schlagzeilen sorgten. Zwar hat der Flüchtlingsdruck aus der Türkei nachgelassen, dafür ist aber die Zahl der Migranten gestiegen, die Bulgarien schnellstmöglich in Richtung Westeuropa wieder verlassen wollen. Gen Jahresende scheint man dieses Problem einigermaßen im Griff zu haben, aber die Zukunft ist ungewiss. Viele Bulgaren machen sich Gedanken darüber, was passiert, wenn sich die Befürchtungen bewahrheiten und Migranten aus Westeuropa massenweise wieder nach Bulgarien zurückströmen.

Die bulgarische Wirtschaft konnte 2016 gute Ergebnisse erzielen und das vor dem Hintergrund einer relativ ungünstigen externen Konjunktur. Verbucht wurden ein Haushaltsüberschuss, ein Wirtschaftswachstum von 3 Prozent und in puncto ausländische Touristen wurde ein neuer Rekord aufgestellt – 10 Millionen Ausländer haben 2016 sich für einen Urlaub in Bulgarien entschieden.

Trotz dieser positiven Trends hält sich die Begeisterung der bulgarischen Bevölkerung in Grenzen, da die Ausgangsbasis für diese Pluszahlen ziemlich bescheiden ist. Tatsache ist, dass die Bulgaren auch an der Schwelle von 2017 im ärmsten Land der EU leben. An dieser Tatsache können auch die angeführten Wachstumsprozente nicht rütteln. Diese bittere Wahrheit führt uns aber vor Augen, dass hochwertige Reformen nötig sind, die im auslaufenden Jahr bedauerlicherweise nicht durchgeführt wurden.

Für gemischte Gefühle sorgte 2016 noch ein Fakt. Die bulgarische Seite hat dem russischen Unternehmen Atomstroyexport 600 Millionen Euro Schadenersatz für die von ihr in Auftrag gegebenen zwei Reaktorblöcke für das KKW-Projekt Belene überwiesen, welches vom bulgarischen Parlament eingestellt wurde. Somit wurden ungeregelte Finanzbeziehungen mit einem der größten Wirtschaftspartner Bulgariens in der Gestalt Russland aus der Welt geschafft. Nun ist Bulgarien aber im Besitz von Atomanlagen, für die es momentan keine Anwendung hat. Ob sich die gemischten Gefühle, die die Bulgaren diesbezüglich empfinden, zum Guten oder Schlechten wenden, hängt von den politischen Entscheidungen im neuen Jahr 2017 ab. Wie diese Entscheidungen ausfallen und wer die treffen wird, das werden wir in der ersten Jahreshälfte erfahren, wenn vorgezogene Wahlen durchgeführt und ein neues Parlament und eine neue Regierung aufgestellt werden.

Übersetzung: Rossiza Radulowa


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