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Staatsanwaltschaft erhebt eine Welle von Anklagen gegen Minister, verurteilt wurde bislang keiner

In der ausgehenden Woche wurde der scheidende Verteidigungsminister Nikolaj Netschew zur Staatsanwaltschaft geladen, um über Änderungen in der Anklage über die Modernisierung der MiG-29-Kampfjets der bulgarischen Luftstreitkräfte in Kenntnis gesetzt zu werden. Besagte Anklage wurde gegen ihn erhoben, weil er 2015 nicht ein russisches Unternehmen mit der Reparatur der Kampfjets beauftragt, sondern einen entsprechenden Vertrag mit Polen geschlossen hatte. Beim Verlassen der Staatsanwaltschaft wünschte Nentschew den Staatsanwälten, „weniger Befehle aufzuführen, die nicht dem Recht und ihrer Moral entsprechen“.

Ebenfalls in dieser Woche hat der frühere Minister für Wirtschaft, Energie und Tourismus und jüngster Präsidentschaftskandidat Trajtscho Trajkow erklärt, er werde die Staatsanwaltschaft wegen Verleumdung und Falschverdächtigung verklagen. Er machte dieses Statement im Zusammenhang mit der vor Weihnachten gegen ihn erhobenen Anklage, die ihm Interessenkonflikte beim Verkauf von Staatsaktien des Stromversorgers EVN zur Last legt. Trajkow meinte, die Verantwortung für den Aktienverkauf komme nicht ihm, sondern der Privatisierungsagentur, der Bulgarischen Fondsbörse und dem Ausschuss für Finanzaufsicht zu, versicherte aber, das Geschäft sei makellos abgewickelt worden. Dieser Tage gab die Staatsanwaltschaft zu verstehen, dass im Verfahren gegen Trajkow auch der frühere Finanzminister aus dem ersten Borissow-Kabinett Simeon Djankow wegen Amtsmissbrauchs angeklagt wird. Djankow hat über die Medien erfahren hat, dass man ihn zur landesweiten Fahndung ausschreiben wird, weil er an seiner angegebenen Wohnanschrift nicht auffindbar sei und ihm die Anklage nicht zugestellt werden konnte. Ohne Zeit zu verlieren gab er öffentlich bekannt, dass er von sich aus Kontakt zur Staatsanwaltschaft aufgenommen habe und bereit sei, mit ihr zu kooperieren.

Rumen Owtscharow, der erste Energieminister im Kabinett des Sozialisten Sergej Stanischew, hat uns dieser Tage ebenfalls in Erinnerung gebracht, dass auch er zur Gruppe der Angeklagten zählt. Er appellierte an die Staatsanwaltschaft zu prüfen, warum der Strom aus dem staatlichen Wärmekraftwerk „Mariza Ost-2“ und dem ebenfalls staatlichen Kernkraftwerk „Kosloduj“ auf der Staatsbörse momentan zu Preisen gehandelt wird, die um das Zwei- bis Dreifache unter den Marktpreisen liegen. Gegen ihn hat die Staatsanwaltschaft im November 2016 Anklage wegen Misswirtschaft rund um den Bau eines zweiten Kernkraftwerks bei Belene an der Donau erhoben. Der Anklageschrift zufolge hat Rumen Owtscharow der Nationalen Elektrizitätsgesellschaft NEK einen Schaden in Höhe von über 190 Millionen Euro zugefügt. Im Zusammenhang mit dem KKW-Belene-Projekt wurde im November auch der Ex-Energieminister aus dem Borissow-Kabinett Deljan Dobrew angeklagt, der den Posten nach dem Rücktritt von Trajtscho Trajkow übernommen hatte. Ebenfalls im Zusammenhang mit dem Projekt Belene wurden im Herbst auch zwei frühere Direktoren der NEK und Ex-Energieminister Petar Dimitrow, der Nachfolger von Owtscharow angeklagt. Auch im Gesundheitswesen gibt es Minister, die mit von der Partie sind - der scheidende Gesundheitsminister Petar Moskow und sein Stellvertreter Adam Persenski sollen sich wegen Amtsmissbrauch und Misswirtschaft wegen einem dubiosen Bartergeschäft zur Lieferung von Impfstoffen verantworten, das im Mai 2016 zwischen Bulgarien und der Türkei getätigt wurde.

In allen angeführten Fällen geht es um viel Geld und um große Interessen. Die Angeklagten plädieren ausnahmslos, unschuldig zu sein und wittern in den Handlungen der Staatsanwaltschaft politische Motive. Die Partei von Nikolaj Nentschew, die „Bulgarische Bauernvolksunion“ (BSNS), wirft Generalstaatsanwalt Sotir Zazarow Stalinismus, Repressionen und Propaganda vor. Die Partei „Demokraten für ein starkes Bulgarien“ stempeln die Beschuldigungen gegen Trajtscho Trajkow und Simeon Djankow als Einmischung in den Wahlkampf ab. Die BSP interpretiert das Vorgehen der Staatsanwaltschaft gegen ihre früheren Minister im Kontext der anstehenden Parlamentswahlen und sieht darin sogar einen Versuch zur Einschüchterung der Opposition.

Von Seiten des Gerichts mangelt es bislang an einer Reaktion auf die Serie von Anklagen. Manche sind überzeugt, dass es auch dabei bleiben wird. Grund für ihren Pessimismus sind ähnliche Fälle in der Vergangenheit. Doch selbst falls Gerichtsurteile gefällt werden, werden sie die Anklagen nicht bestätigen, meinen andere. Nach Argumenten dafür braucht man nicht in der Vergangenheit zu suchen. Erst kurz vor Weihnachten wurde der frühere Vizevorsitzende der Türkenpartei DPS Christo Bisserow, der der Steuerhinterziehung angeklagt war, endgültig davon freigesprochen. Und so könnte er nach drei Jahren, in denen er sich aus der Politik zurückgezogen hatte, wieder auf die politische Bühne zurückkehren.


Übersetzung: Rossiza Radulowa 




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