Sendung auf Deutsch
Textgröße
Bulgarischer Nationaler Rundfunk © 2024 Alle Rechte vorbehalten

Hass ist ein Mangel an Fantasie

БНР Новини
Michael Lahr und Gregorij von Leitis vor der Sofioter Synagoge
Foto: Deutsche Botschaft Sofia

„Hass ist ein Mangel an Fantasie“ – dieses Zitat von Graham Green diente zum Motto eines Literaturabends in der Sofioter Synagoge. Gestern Abend haben Gregorij von Leitis und Michael Lahr Texte und Gedichte von KZ-Häftlingen gelesen. Die Übersetzung ins Bulgarische war Schülern verschiedener deutschsprachiger Gymnasien in Sofia anvertraut. Und das allein sagt schon aus, dass beide Autoren nicht nur an die schreckliche Vergangenheit Nazi-Deutschlands erinnern wollten, sondern auch eine Brücke ins Heute, und sogar einen Blick in die Zukunft werfen wollten.

Die Autoren des Literaturprogramms sind auf die Texte und Gedichte mehr oder weniger zufällig gestoßen – in New York, wo viele Überlebende und Erben von ehemaligen KZ-Häftlingen ihre zweite Heimat gefunden haben. Der Theaterkünstler von Leitis und der Philosoph Lahr haben in den 1980er Jahren begonnen, diese Texte ausfindig zu machen und zu sammeln, doch das Programm verstärkt anzubieten, begannen sie nach dem Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo in Paris, wie Michael Lahr erzählt.

Diese Welle von Terroranschlägen, die es gab, reißt nicht ab: der letzte Anschlag von Berlin, und dann von Istanbul. Weiterer Grund für unser Programm ist aber das verstärkte Aufkommen von Rassismus und rechtsradikaler Gewalt gegen Minderheiten. Was ich besonders wichtig finde, ist, dass der Titel „Hass ist Mangel an Phantasie“ in gewisser Weise beschreibt, was diese Künstler in Theresienstadt geleistet haben – ihre Fantasie als Mittel gegen Hass aufzubringen, gegen den Hass, der ihnen entgegenschlug. Sie haben quasi eine Offensive gegen die Nazis gestartet. Und dies bringt uns eine positive Perspektive vor Augen, wie man vielleicht mit diesem Hass umgehen kann, dass es nicht richtig ist, einfach zu resignieren, klein beizugeben oder sich wegzuducken, sondern dass man etwas Positives dagegen stellen kann.“

Gregorij von Leitis während des Literaturabends in der Sofioter Synanoge. Foto: Deutsche Botschaft Sofia
In den Augen von Gregorij von Leitis ist die Kunst jenes universelle Mittel, um den jungen Menschen Wertigkeit zu vermitteln. „Sie ist nicht nur im Portemonnaie“, sagt Von Leitis, der selbst während des Krieges geboren wurde, sich den Studentenprotesten von `68 und an der Vergangenheitsbewältigung des Nationalsozialismus in Deutschland aktiv beteiligte.

Da ist eine wunderbare Jugend da draußen, davon bin ich überzeugt! Ich bin begeistert von diesen jungen Menschen, die etwas suchen, aber nicht wissen, wo sie es finden. Wir bieten sozusagen einen kleinen Fahrplan. Das Internet bietet uns nur die Information, aber es schafft keinen Geschichtsbewusstsein. Geschichtsbewusstsein schafft man nur, indem man persönlich mit Menschen zusammenkommt. Den jungen Menschen muss man Mut machen, sich zu wehren und den Mund aufzumachen. Sie werden schon die Ähnlichkeit erkennen und sehen, dass wir etwas dagegen tun können.

Valentin Pomakow macht in diesem Jahr sein Abitur an einem der deutschsprachigen Gymnasien in Sofia. Er nahm die Herausforderung an, eines der Gedichte aus dem Literaturprogramm „Hass ist ein Mangel an Fantasie“ ins Bulgarische zu übersetzen, zum Teil aus persönlichen Gründen.

Ich habe einen kleinen und unbedeutenden poetischen Versuch und konnte der Versuchung nicht widerstehen, statt ein Gedicht zu reimen, eines zu übersetzen“, sagt Valentin. „Ich erlerne die deutsche Sprache seit einigen Jahren und das war ein weiterer Grund, mich mit der Übersetzung zu versuchen. Aber da ist noch etwas – das Gedicht, das ich übersetzt habe, ist sehr delikat, sogar mit einer gewissen Ironie geschrieben, dass ich mir schwer vorstellen kann, wie es möglich war, bedenke man, dass der Autor in einem KZ saß. Die Parallelen zur heutigen Zeit sind eindeutig, obwohl ich persönlich versuche, das zu ignorieren, weil es mich bedrückt“, sagt Valentin Pomakow.



Последвайте ни и в Google News Showcase, за да научите най-важното от деня!

mehr aus dieser Rubrik…

Dimitri Pandowski aus Korça: „Wir sind absolute Bulgaren!“

Im südöstlichen Teil Albaniens sowie in den historisch-geographischen Regionen Gora und Golo Bardo gibt es eine bulgarische Bevölkerung. Obwohl sich die Wirtschaftsmigration in den letzten Jahren auch hier negativ ausgewirkt hat, bewahren die Bulgaren..

veröffentlicht am 16.03.24 um 09:45

Eine Studie über die Nutzung elektronischer Geräte unter bulgarischen Schülern zeigt besorgniserregende Trends

Laut einer Umfrage von „Sova Harris“ schauen 96 Prozent der bulgarischen Schüler mehrere Stunden am Tag fern und 83 Prozent nutzen ein Smartphone.Nur 13 Prozent der Kinder lesen Bücher zum Vergnügen, und Eltern wissen nicht ausreichend, was ihre..

veröffentlicht am 09.03.24 um 10:20

Universitäten aus Europa und Japan stellen sich auf einer Fachausstellung in Sofia vor

Die Frühlingsausgabe der Ausstellung „Bildung für eine erfolgreiche Karriere – 2024“ fängt am 9. März in Sofia an. Bulgarische Schüler, die im Ausland studieren möchten, können sich dort für ein Hauptfach oder eine Universität entscheiden...

veröffentlicht am 09.03.24 um 09:55