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Der Pariser Friedensvertrag und der Schutz der nationalen Interessen Bulgariens

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Die Prasier Konferenz der 21 Nationen, 1946
Foto: Archiv

Am 10. Februar 1947 unterzeichneten die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges die Friedensverträge mit den ehemaligen Verbündeten des Deutschen Reiches: Italien, Rumänien, Ungarn, Bulgarien und Finnland. Die Friedensbedingungen waren auf der Konferenz zuvor vereinbart worden, die vom 29. Juli bis zum 15. Oktober 1946 in der französischen Hauptstadt veranstaltet und als Konferenz der 21 Nationen bezeichnet wurde.Die Geschichtsexpertinnen Prof. Ewgenia Kalinowa und Prof. Iskra Baewa bringen uns einige Tatsachen in Erinnerung:

Zu Beginn fragten wir, ob Bulgarien mit seiner Teilnahme am Zweiten Weltkrieg seine nationalen Ziele erreichte?

Prof. Baewa und Prof. Kalinowa sind Autoren des Vorworts zur neuen Ausgabe des Buches der Journalisten Slawtscho Wassew und Krum Hristow, die 1946 zur  Pariser Friedenskonferenz zugelassen wurden.Anfänglich sah es ganz danach aus“, erläutert Prof. Kalinowa. „Als Bulgarien am 1. März 1941 Verbündeter Deutschlands wurde, erhielt es als „Belohnung“ die Erlaubnis, mit seinen Truppen und seiner Verwaltung in Südostthrakien und dem Wardar-Mazedonien einzuziehen. In den Augen der damaligen bulgarischen Öffentlichkeit stellte das den Gipfel der nationalen Vereinigung dar. Inmitten der Euphorie wurde jedoch die Tatsache in den Schatten gedrängt, dass uns diese Territorien zur Verwaltung und zum Schutz lediglich bis Kriegsende anvertraut wurden. Damit sollte nicht etwa eine Ungerechtigkeit in ethnischer und historischer Sicht wiedergutgemacht werden. Aus bulgarischer Sicht sah es jedoch wie die Erreichung des nationalen Ideals aus, nämlich die Vereinigung aller ethnisch bulgarischen Landesteile. Man fühlte sich also als Sieger. Es wurden jedoch auch andere Erfolge erzielt: Bulgarien beteiligte sich nicht an Militäraktionen gegen andere Länder, obwohl es Verbündeter Deutschlands war. Selbst in Griechenland und Jugoslawien nicht, denn beide Länder hatten bereits kapituliert, als Bulgarien dort einmarschierte. Gegen Kriegsende erinnerte die Lage jedoch stark an die nach dem Ersten Weltkrieg – Bulgarien erwies sich erneut auf Seiten der Verlierer, mit all den politischen, ideologischen und wirtschaftlichen Folgen.“

Laut Prof. Baewa kann man jedoch nicht von einer nationalen Katastrophe sprechen, denn:

Bulgarien war das einzigste Land der Verliererkoalition, die keine Territorien einbüßte, sondern mit territorialem Gewinn den Krieg beendete. Am 7. September 1940 war der Vertrag von Craiova unterzeichnet worden, der dem Land den Südteil der Dobrudscha zurückbrachte. Im Vergleich dazu gab es Länder, die zwar zu den Siegermächten gehörten, jedoch Territorium einbüßten. Da sich Bulgarien bereits im Einflussgebiet Sowjetrusslands befand, hatte es auf der Pariser Friedenskonferenz einen starken Verteidiger seitens des großen Siegers. Unser Land geriet nicht in die Isolation, sondern konnte auch auf der Unterstützung Polens und der Tschechoslowakei bauen, was sich im Zuge der Friedensverhandlungen als äußerst positiv erwies. Bulgarien erhielt ferner auch die Unterstützung Jugoslawiens, musste dafür jedoch einen hohen Preis zahlen – es wurde gezwungen, der bulgarischen Bevölkerung in Pirin-Mazedonien eine „kulturelle Autonomie“ aufzuerlegen.“

Der Sommer des Jahres 1946 kam der bulgarischen Diplomatie eine Schlüsselrolle zu. Zu jener Zeit hatte das Land jedoch mit innenpolitischen Problemen zu kämpfen. Prof. Kalinowa erinnert an die Ereignisse:

Mitte des Jahres 1946 setzte eine verstärkte Verfolgung der Opposition ein. Es wurden Wahlen für die Konstituierende Volksversammlung organisiert, die die neue Verfassung der jungen Republik ausarbeiten sollte. Dennoch konnten zur Pariser Friedenskonferenz Vertreter der fünf Regierungsparteien der Vaterländischen Front entsandt werden, die die bulgarischen Interessen verteidigen sollten. Ihre Aufgabe war außerordentlich wichtig, weil bereits zum Kriegsende Griechenland Anspruch auf 1/10el des bulgarischen Territoriums erhoben hatte. Als Argument wurde vorgebracht, dass Bulgarien bereits drei Mal Griechenland angefallen habe und in die Rolle des Aggressors geschlüpft sei. Die bulgarische Delegation schaffte es, dieser Behauptung Argumente entgegenzusetzen, so dass es nicht zur gewünschten Grenzverschiebung und Reparationen in Höhe von 150 Millionen Dollar zugunsten Griechenlands kam. Letztendlich erhielt Griechenaland eine Entschädigung von 45 Millionen Dollar und Jugoslawien 25 Millionen, die in Form von Produkten der Landwirtschaft und der Nahrungsgüterindustrie abgezahlt wurden. Es wurde sogar im Vertrag festgehalten, dass die Reparationen nur partiell sind, da Bulgarien vom Herbst 1944 bis Mai 1945 gegen Deutschland ins Feld gezogen sei.“

Obwohl man Bulgarien den Vorwurf machte, fremdes Territorium besetzt zu haben, kam es gegen Kriegsende im Land zu solchen Aktionen der oppositionellen Kräfte, die in den Friedensverhandlungen Pluspunkte brachten. Prof. Baewa fasst zusammen:

Die Partisanenbewegung, die gegen Kriegsende besonders aktiv wurde, verwandelte sich in den Verhandlungen in ein starkes Argument der bulgarischen Delegation, auch wenn die Bedeutung der Partisanenbewegung heute häufig angezweifelt wird. Ein weiteres Argument war die Teilnahme bulgarischer Truppen in der Endphase des Krieges auf Seiten der Anti-Hitler-Koalition. Obwohl man Bulgarien deshalb nicht zu den Siegermächten rechnete, war diese Tatsache ein weiteres starkes Argument zu Gunsten Bulgariens.“

Übersetzung: Wladimir Wladimirow



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