Häufig sieht man im eigenen Land den Wald vor lauter Bäumen nicht. Man muss schon ins Ausland reisen, um die Unterschiede zu erkennen und sich in der Heimat sowohl die guten, als auch die schlechten Dinge zu vergegenwärtigen... oder man fragt einfach einen Ausländer. Und das haben auch wir getan – wir trafen uns mit Awo M’brou aus Ghana.
Geboren wurde sie in Accra, der Hauptstadt dieses westafrikanischen Landes am Golf von Guinea. Ihre Kindheit verbrachte Awo dort. Als sie 7 Jahre alt war, entschlossen sich ihre Eltern, nach Großbritannien auszuwandern. Nach ihrer Schulausbildung arbeitete Awo als Freiwillige in einer Wohltätigkeitsstiftung. Der Kontakt mit kranken und bedürftigen Menschen ließ in ihr den Wunsch aufkommen, Ärztin zu werden. Wie verschlug es sie jedoch nach Bulgarien?
„Der Entschluss, im Ausland zu studieren, fiel mir nicht schwer, doch wohin ich gehen sollte, wusste ich nicht und musste lange recherchieren“, sagt die junge Frau. „Schließlich entschloss ich mich, in Europa ein Studium aufzunehmen und Bulgarien stellte sich als der günstigste Ort dafür heraus. Seit etwa drei Jahren wählen zunehmend mehr junge Menschen Bulgarien für ihr Studium. Ich meinerseits suchte nach einem Land, in dem ich mich problemlos eingewöhnen kann. Außerdem ist der Aufenthalt hier unproblematisch und die Universitäten stehen allen offen. Das sind im Grunde genommen die Dinge, die mich bewogen, in Bulgarien zu studieren.“
Awo ist nun im ersten Semester ihres Medizinstudiums, das sie an der Universität der südbulgarischen Stadt Plowdiw aufgenommen hat. Nach ihrem Studium will sie jedoch nicht an einem Ort bleiben, sondern in der Welt herumreisen. Fremde Länder ziehen sie an, auch möchte sie wieder ihre Heimat in Afrika besuchen. Was hat sie in Bulgarien entdeckt, fragten wir sie.
„Plowdiw ist eine sehr schöne Stadt“, sagt die künftige Ärztin. „Es ist eine sonnige Stadt, die zu Spaziergängen und Besichtigungen einlädt. Die Stadt an sich ist ideal für Studenten. Als ich hier ankam, stellte man mich der Kirchengemeinde vor, in der ich neue Freunde fand. Ich fühle mich hier sicher. Man kann bis spät abends mit Freunden draußen sein und braucht nichts zu befürchten. Das ist einfach wunderbar!“
Awo hat noch keinen Lieblingsort gefunden, was jedoch daran liegt, dass ihr wegen des anstrengenden Studiums wenig Freizeit bleibt. Sobald sie jedoch mehr Zeit hat, will sie im Land herumreisen. Über Warna an der Schwarzmeerküste hat sie schon viel gehört und möchte diese Stadt mit eigenen Augen sehen. Wie denkt sie über die Bulgaren?
„Ich habe schon viele interessante Menschen kennengelernt“, sagt sie. „Als Ausländer ist man natürlich immer etwas reserviert – die Menschen verstehen das aber und sind sehr nett. Natürlich habe ich auch solche getroffen, die sich abwertend verhalten, doch das gibt es überall in der Welt. Wenn sie einen Ausländer sehen, werden viele Bulgaren stutzig und wollen wissen, warum man hier ist. Ich denke, dass sich die Bulgaren daran gewöhnen müssen, dass in ihrem Land auch Ausländer leben.“
Awo weiß jetzt schon, dass sie nach ihrem Studium eines Tages wieder Bulgarien besuchen wird, denn es ist zu einem Teil ihres Lebens geworden. Hier hat sie Freunde gefunden und das Land selbst hat eine Spur in ihrem Bewusstsein hinterlassen.
Jenen, die sich aus irgendeinem Grund noch scheuen, nach Bulgarien zu kommen, rät sie folgendes:
„Man muss sich einfach ein Herz nehmen und nicht so voreingenommen sein“, sagt Awo M’brou. „Wenn man hierherkommt, muss man freiheitsliebend sein. Man darf jedoch von den Menschen nicht erwarten, dass sie der gleichen Meinung sind. Man sollte die andersartige Kultur aufnehmen und auch einen Teil von sich zurücklassen.“
Übersetzung: Wladimir Wladimirow
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