Die tagelang abgesprochene öffentliche Debatte zwischen den Vorsitzenden der GERB-Partei Bojko Borissow und der Bulgarischen Sozialistischen Partei (BSP) Kornelia Ninowa fiel ins Wasser, weil man sich im Endeffekt nicht über das Format der Veranstaltung einigen konnte. Trotz des bekundeten großen öffentlichen Interesses und der Bereitschaft der populärsten Fernsehsender, die Diskussionsrunde live zu übertragen, verharrte die GERB darauf, in die Debatte auch Experten heranzuziehen; die BSP hielt ihrerseits daran fest, dass nur die zwei Parteivorsitzenden anwesend sein sollen. Die GERB-Partei beschuldigte die Sozialistenchefin Ninowa, sie wolle der Debatte ausweichen, woraufhin sie konterte, dass Borissow Angst vor unangenehmen Fragen habe. Das Scheitern der Diskussionsrunde raubte den Bürgern die Gelegenheit, die Ansichten und Argumente der Spitzenprätendenten für die Exekutive in Bulgarien live aus ihrem Munde zu hören und deckte dafür einige andere Dinge auf.
Es stellte sich heraus, dass die allseits befürchtete Koalition zwischen GERB und den Sozialisten nach den Wahlen ein Ding der Unmöglichkeit ist. Eine solche Koalition ist nicht nur dem rechtsorientierten Reformblock ein Dorn im Auge, sondern auch dem Gros der Wähler, auch solcher, die nicht unbedingt einer der beiden Parteien sympathisieren.
Der Streit um den Disput brachte die gegenseitige aggressive Haltung der GERB und der BSP ans Tageslicht. Das könnte laut einigen Beobachtern etliche ihrer Wähler abschrecken, die dann kleineren Parteien den Vorzug geben würden. Angesichts des sich abzeichnenden geringen Stimmenunterschiedes zwischen beiden Spitzenkandidaten, bringt das eine zusätzliche Ungewissheit in die Gruppierung der Macht nach den Wahlen. Laut jüngsten Umfrageergebnissen würden 36 Prozent der Wähler für die GERB-Partei und 29 Prozent für die Mitte-links-Koalition stimmen, in dessen Zentrum sich die Bulgarische Sozialistische Partei befindet. Der Zuspruch für GERB ist jedoch im Schwinden begriffen, während der für die BSP steigt, so dass einige Analysten bereits jetzt schon von einem Gleichgewicht sprechen. Das bedeutet, dass die Rolle des Züngleins an der Waage der drittgrößten Wahlkoalition zukommen wird, der die „Nationale Front zur Rettung Bulgariens“, die nationalistische „Attacke“ und die IMRO angehören. Im Zuge des Streits um die öffentliche Debatte gab die Sozialistenchefin Ninowa zu verstehen, dass sie eine Koalition mit den Patrioten nicht ausschließe. Dafür sprach sie sich entschieden gegen einen Bund mit der GERB-Partei und der Türkenpartei „Bewegung für Rechte und Freiheiten“ aus. Bislang haben sich die Patrioten bindender Aussagen enthalten, behaupten aber nach wie vor, dass sowohl die GERB, als auch die BSP etliche Stellen ihrer Wahlplattform einfach abgeschrieben hätten.
Und so ergab sich die paradoxe Situation, dass sich die drei Fernsehsender, die eigentlich in scharfer Konkurrenz stehen, redlich darum bemühen, die Unstimmigkeiten zwischen den grundlegenden politischen Opponenten aus der Welt zu schaffen und eine Debatte unter ihnen zu ermöglichen. Gemeinsam erarbeiteten sie ein Regelwerk zur Durchführung der Diskussion und schlugen den zerstrittenen Parteien vor, zuerst eine Diskussionsrunde zwischen Experten einzurichten, woraufhin die Parteivorsitzenden zum Zuge kommen sollen. Bislang liegt noch keine Antwort vor und der zur Genüge bekannte Wahlkampf mit den üblichen Fernsehdebatten zwischen Parteivertretern geht weiter. Die Unstimmigkeiten zwischen GERB und der BSP geben im Wahlkampf aber einen schlechten Ton an und lassen erahnen, dass sich die Regierungsbildung nach den Wahlen in einen qualvollen Prozess verwandeln kann.
Übersetzung: Wladimir Wladimirow
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