Seit Beginn dieses Monats ist die Europäische Union nicht mehr dieselbe. Den Startschuss dazu gab EK-Präsident Jean-Claude Juncker, der sein sogenanntes „Weißbuch“ mit verschiedenen Zukunftsszenarien nach dem Ausstritt Großbritanniens vorstellte. Es folgte ein informelles Treffen in Versailles, an dem sich die Führungspolitiker der europäischen Wirtschaftsspitzen Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien beteiligten. Sie waren sich einiger denn je: die jetzige Union ist so unannehmbar; gefragt sind „veränderliche Geometrien“, die dem Alten Kontinent neue Impulse geben. Und so wurde in Versailles das “Europa der zwei Geschwindigkeiten” geboren und man begann von veränderlichen Geometrien und verschiedenen Geschwindigkeiten, aber auch von „Kern“ und „Peripherie“, einer „Ober“- und einer „Unterliga“ zu sprechen.
Vor diesem Hintergrund wurde Ende vergangener Woche in Brüssel ein informelles Treffen der 27-EU-Mitgliedsländer durchgeführt. Bulgarien wurde von Staatspräsident Rumen Radew vertreten. „Ich bin hier, um die klare bulgarische Haltung in Unterstützung der grundlegenden Werte der Europäischen Union, Einheit und Solidarität, darzulegen und mich der Tendenz eines Europa zweier Geschwindigkeiten – eines Zentrums und einer Peripherie, zu widersetzen“, sagte Radew den Medien gegenüber und betonte, es zeichne sich die Tendenz ab, dass sich die Union der Prinzipien und Werte in eine Union der Rechnungen und des Feilschens verwandelt. „Allein die Physik verbietet es: ein Körper kann nicht gleichzeitig zwei Geschwindigkeiten haben – es wird klar, dass es sich um zwei Körper mit verschiedenen Geschwindigkeiten handelt“, sagt weiter der bulgarische Staatspräsident.
Rumen Radew hat es gut gemeint, es zeichnet sich aber schon deutlich ab, dass der Alte Kontinent schon bald in zwei Teile gespalten werden wird – jeder wird in seine Richtung driften. Der eine Teil wird aus den Gründerländern bestehen, die eine wirtschaftliche und politische Integration anstreben und der andere Teil aus den EU-Mitgliedsländern, die sich einzig den gemeinsamen Markt wünschen, jedoch alle anderen Politiken Brüssel nicht überlassen wollen.
Was Bulgarien anbelangt, war es bereits bei seinem EU-Beitritt vor zehn Jahren auf eine niedrigere Geschwindigkeit geschaltet worden. Die Märchen darüber, dass es „gleichwertig“ in die europäische Familie aufgenommen wird, waren nur Augenauswischerei. Bis heute ist Bulgarien weder Teil des Euro-Gebiets, noch des Schengen-Raums; es unterliegt in punkto Justiz und Inneres einer ständigen Beobachtung. Brüssel leiert wie ein altes Grammophon ein und dasselbe Lied: in Bulgarien gibt es eine organisierte Kriminalität und es herrscht in den höheren Etagen der Macht Korruption. Doch in welchem Land ist das nicht so?! Es hat den Anschein, dass es die Länder Westeuropas offenbar nicht mehr nur im Stillen bedauern, Bulgarien und die anderen Länder des ehemaligen Ostblocks aufgenommen zu haben; sie bedauern es aus dem einen oder anderen Grund.
Kann es also einen „Bulexit“ geben? Das ist so gut wie ausgeschlossen, eher ist ein Vegetieren Bulgariens am Rande der Union möglich. Alle bisherigen bulgarischen Politiker haben seit der Wende im Land gezeigt, dass sie einzig als Echo Brüssels fungieren und vorbehaltslos die erlassenen Richtlinien verfolgen, die ihnen die „Starken“ der Union zuweisen. Häufig stehen jedoch diese Anweisungen im Kontrast zu den nationalen Interessen Bulgariens. Es zeichnet sich am politischen Horizont aber auch keine Kraft an, die in absehbarer Zeit den Status quo beseitigen kann. D.h. Sofia wird sich auch in diesem Falle anpassen; die Politiker werden sich ducken, in Erwartung des neuen Schicksals, das man Bulgarien zuweisen wird.
Es bleibt also nur noch die Frage offen, in welche Peripherie wir in der künftigen neuen Konfiguration der EU gedrängt werden? Es gibt nämlich eine Peripherie und eine, die sogar noch dahinter liegt; es gibt verschiedene Geschwindigkeiten, aber auch den Leerlauf; eine Ober- und eine Unterliga, aber auch Vereine, deren Fußballer barfuß spielen…
Was die „veränderliche Geometrie“ anbelangt, wird sie vor allem in der Konstruktionstechnik gern verwendet, denn sie ermöglicht eine automatische Regelung der Kenngrößen. Doch umso komplizierter die Mechanik, desto anfälliger die ganze Maschine; Pannen entstehen, die man nicht mehr so leicht beheben kann.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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