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Lage nach vorgezogenen Parlamentswahlen in Bulgarien ist undurchschaubar

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Foto: BGNES

Obwohl die endgültigen Ergebnisse der gestrigen vorgezogenen Parlamentswahlen noch nicht vorliegen, kann man mit Sicherheit sagen, dass die Lage als Ganzes ziemlich unklar ist.

Die GERB-Partei, die bis vor kurzem an der Macht war, ist auch bei diesen Wahlen als Gewinner hervorgegangen. Ihr Vorsprung von 5 bis 6 Prozent vor den Sozialisten kann nicht als statistischer Fehler abgetan werden. Die Aufstellung einer Regierung könnte der Partei diesmal aber noch mehr Kopfzerbrechen bereiten, weil der Reformblock allem Anschein nach nicht den Einzug ins neue Parlament schaffen wird.

Die BSP ist zwar Zweiter geworden, doch sind die Sozialisten mit dem Erzielten zufrieden, weil sie im Vergleich zu den Parlamentswahlen 2014 ihr Wahlergebnis verdoppeln und den Schwung aus der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen 2016 mitnehmen konnten. Dieser Schwung hat dem von den Sozialisten gestützten Präsidentschaftskandidaten Rumen Radew zum Sieg verholfen, hat aber bei diesen Parlamentswahlen nicht für den ersten Platz ausgereicht.

Das nationalistische Parteienbündnis „Vereinigte Patrioten – NFSB, WMRO und Ataka“ reiht sich auf Platz drei und hat die Türkenpartei DPS von der Rolle des ewigen Balanceurs in der bulgarischen Politik verdrängt. Aber die DPS folgt den Patrioten mit einem winzigen Prozentunterschied auf den Fersen, so dass der vierte Platz für sie ein Erfolg ist, zumal sie sie auch gegen die Partei DOST behaupten musste, die ebenfalls um die Stimmen der türkischen Wähler buhlte.

Der Reformblock, den viele als die authentischste politische Kraft im rechten Sektor ansehen, wird den Sprung ins neue Parlament vermutlich nicht schaffen. Die Lage hätte anders ausgesehen, wenn zum Wahlergebnis des Reformblocks auch die Prozente des Parteienbündnisses „Ja, Bulgarien“ und der Partei „Neue Republik“ dazurechnen könnte, doch man hat diese Chance nicht wahrgenommen.

Bei dieser immer noch vagen politischen Kräfteverteilung enthalten sich die Parteien, ihre Absichten zu konkretisieren. Der Vorsitzende der GERB Bojko Borissow meinte lediglich, seine Partei müsse in der neuen Regierung die führende Rolle haben. Da die BSP-Vorsitzende Kornelia Ninowa eine breite Koalition mit GERB entschieden abgelehnt hat, bleibt Borissow nur die Möglichkeit, eine Mitte-Rechts-Regierung mit den „Vereinigten Patrioten“ und der Partei WOLJA aufzustellen. Die Patrioten haben nichts gegen eine Koalitionsregierung mit GERB einzuwenden, falls sie sich auf ein gemeinsames Programm einigen können und auch der Vorsitzende der Partei WOLJA würde in eine Koalition einwilligen. Auch der Parteichef der DPS Mustafa Karadaja ließ durchblicken, dass seine Formation im Namen der Stabilität Bulgariens zu einem Dialog mit der GERB bereit wäre. Er hoffe, dass die GERB aus ihren beiden nicht zu Ende gebrachten Regierungszeiten eine Lehre gezogen habe, so Karadaja.

Sollte es GERB nicht gelingen, eine Regierung zu bilden, ist die BSP bereit – ebenfalls im Namen der Stabilität – eine Koalitionsregierung zu stellen, sagte Kornelia Ninowa. Auch die Patrioten sagten bereits vor den Wahlen, sie würden bei einem gemeinsamen Programm eine Koalition mit der BSP nicht ausschließen, während der Vorsitzende der Partei WOLJA Wasselin Mareschki zu verstehen gab, dass ihm ein Bündnis mit der Linken sogar lieber wäre. Unter diesen Umständen hätte Bulgarien aber eine Mitte-Links-Regierung, anstatt einer Mitte-Rechts-Regierung.

Bei dem Kräftegleichstand zwischen der GERB-Partei und der BSP vor den Wahlen haben die Beobachter beide Varianten nicht ausgeschlossen. Wie sich die Dinge weiter entwickeln werden, hängt von den endgültigen Wahlergebnissen, dem neuen Parlament und der neuen Regierung ab. Momentan hoffen alle, dass es bis Ende April zu einer Regierungsbildung kommt.

Übersetzung: Rossiza Radulowa



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