Ungewohnt schnell und ohne nennenswerte Überraschungen ging die erste Tagung der 44. Volksversammlung am 19. April zu Ende. Interessanterweise haben sich weder Staatspräsident Rumen Radew noch GERB-Parteichef Bojko Borissow dabei zu Wort gemeldet. Die einzelnen Parlamentsfraktionen haben aber ihre wichtigsten Prioritäten umrissen.
Ungeachtet ihrer Meinungsunterschiede waren sich alle Parlamentskräfte einig, dass die neue Führung Bulgariens ihre Arbeit in einer komplizierten internationalen Lage aufnimmt, so dass sie im Zusammenhang mit der bevorstehenden EU-Ratspräsidentschaft Bulgariens an einem Strang ziehen müssen. Es zeichneten sich auch Gemeinsamkeiten zu bestimmten innenpolitischen Fragen ab, beispielsweise in puncto Erhöhung der Renten und notwendige Änderungen in den Bereichen Bildung und Gesundheitswesen.
Die GERB hat ihren festen Willen bekundet, diesmal ihre volle 4-jährige Regierungsamtszeit zu Ende zu bringen. Parteivizechef Zwetan Zwetanow erklärte auch, dass die neue Regierung keine extremen Formen von Nationalismus dulden wird. Sowohl der Wahlsieger GERB als auch sein künftiger Koalitionspartner in der Gestalt des Parteienbündnisses „Vereinigte Patrioten“ haben die Einigungen, die sie während der bisherigen Verhandlungen erzielt haben, bekräftigt. Das geschah aber etwas schemenhaft, da offenbar noch einiges geklärt werden muss.
Im Namen der Nationalisten sprach sich der Co-Vorsitzende der „Vereinigten Patrioten“ Waleri Simeonow gegen die illegale Einwanderung und für die sofortige Abschiebung von illegalen Flüchtlingen und Migranten aus Bulgarien aus. Er bekräftigte auch, dass die Patrioten gegen die Einführung von Mehrheitswahlen sind, was davon zeugt, dass die künftigen Koalitionspartner diesbezüglich grundsätzlich unterschiedliche Meinungen vertreten und sich über diesen Punkt nicht einig werden können.
Die BSP-Vorsitzende Kornelia Ninowa versicherte, dass die Sozialisten als zweitstärkste politische Kraft als Opposition und Alternative der GERB-Partei handeln werden, zugleich aber die erfolgreiche EU-Ratspräsidentschaft Bulgariens nach Kräften unterstützen wollen. Damit hat Ninowa auch indirekt zu verstehen gegeben, dass die Linke wenigstens bis Mitte 2018 keinen Regierungswechsel anstreben wird.
DPS-Parteichef Mustafa Karadaya rief Bulgarien dazu auf, seiner schweren politischen Vergangenheit, verbunden mit Trennung und Hass, den Rücken zu kehren und auf eine auf geteilte Werte basierende Mehrheit hinzuarbeiten. Er hat durchblicken lassen, dass die DPS die Bereitschaft hat, mit der neuen Regierung zusammenzuarbeiten. Zugleich hat sich Karadaya entschieden gegen die von der GERB-Partei geplanten Wahlrechtsänderungen in Richtung Mehrheitswahlen ausgesprochen.
Wesselin Mareschki, Vorsitzender der kleinsten Parlamentspartei „Wolja“, sprach sich seinerseits für eine stabile Regierung aus, die effizienter als alle bisherigen Regierungen arbeiten möge.
Die Statements der politischen Kräfte während der ersten Tagung des neuen Parlaments zeugen davon, dass Bulgarien zumindest in den nächsten anderthalb Jahren von einer Mitte-Rechts-Regierung regiert wird, die auf eine programmrelevante Unterstützung baut. Zu welchen Fragen, wie und um welchen Preis sich die einzelnen Parlamentsparteien zusammentun, das werden wir erst erfahren, wenn das Parlament die Koalitionsregierung gebilligt hat. Den Auftrag zur Regierungsbildung wird Präsident Rumen Radew in der kommenden Woche dem GERB-Parteichef Bojko Borissow erteilen.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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