Dorkowo ist ein kleines Dorf in den Rhodopen in Südbulgarien. Die nächstgelegene Stadt ist Welingrad (15 Kilometer entfernt), die als die SPA-Hauptstadt Bulgariens gilt. Doch auch Dorkowo hat so einiges zu bieten. Es ist ein altes Dorf, das seit dem Jahre 1515, seiner ersten urkundlichen Erwähnung, bis heute unverändert denselben Namen trägt. Den Folkloreliebhabern ist es durch das seit nahezu 20 Jahren alljährlich veranstaltete Folklorefestival bekannt. Seit einigen Jahren entwickelt Dorkowo erfolgreich den alternativen Tourismus. Die wohl größte Sehenswürdigkeit des Dorfes ist jedoch das 2013 eröffnete Naturkundemuseum.
Das Museum gestattet eine Reise in die Vergangenheit der Balkanhalbinsel – nicht nur 100, 1.000, oder ganze 10.000 zurück, sondern sage und schreibe mehr als 5 Millionen Jahre, als das erdgeschichtliche Zeitalter Pliozän anbrach. In der Nähe des Dorfes befindet sich nämlich eine der bedeutendsten paläontologischen Fundstätten mit über 600 Knochen, die 30 verschiedenen Tierarten zugeordnet werden konnten. Bereits in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatten Einheimische darauf hingewiesen, dass sie ständig auf Knochen stoßen würden, die ihnen nicht geheuer sind, da sie Ähnliches nicht gesehen haben. Es mussten jedoch 50 Jahre vergehen, bis die ersten eingehenden wissenschaftlichen Untersuchungen erfolgten.
Das Naturkundemuseum der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften und das Nationale naturhistorische Museum der französischen Hauptstadt Paris ermittelten bei einer gemeinsamen Grabung, dass die paläontologische Fundstätte bei Dorkowo die größte auf der Balkanhalbinsel und die zweitwichtigste Europas ist. 1990 wurde sie zu einer Natursehenswürdigkeit erklärt und Dank des Operationellen Programms „Regionalentwicklung“ konnte mit bulgarischer und französischer Hilfe ein Museum eingerichtet werden.
Das Gebäude zieht die Blicke mit seiner ungewöhnlichen Architektur auf sich – es hat die Form eines Zylinders, oder besser gesagt eines mehrflächigen Prismas, dessen Wände eine leichte Torsion erfahren haben. Es ist eine Metallkonstruktion, die mit Holz und Glas verschalt wurde. Der Architekt ließ sich von den Formen eines alten Bienenstockes inspirieren. 2013 wurde das Bauwerk zum Gebäude des Jahres ausgerufen.
Der Innenraum besitzt eine Fläche von rund 300 Quadratmetern. Mitten im Zentrum steht die Nachbildung eines Mastodonten in Lebensgröße, genauer gesagt eines Anancus arvernensis, einem der Urväter des heutigen Elefanten. Das Tier wog etwa 10 Tonnen und war ganze 3,90 Meter hoch, wobei seine Stoßzähne eine Länge von 3,50 Meter besaßen. Es ist der wohl bedeutendste Vertreter des Pliozäns. Um die Nachbildung, die aus Kunststoff, Gips und Polystyrol besteht, noch realistischer zu gestalten, wurden für die Behaarung des Kopfes und des Schwanzes sowie die Wimpern Pferdeschwanzhaare verwendet.Unmittelbar daneben ist ein Stoßzahn eines Mammuts (Mammut borsoni) ausgestellt.
Gezeigt wird auch die Nachbildung eines Dolichopithecus ruscinensis – ein Pliozän-Affe. In den Vitrinen sind wiederum verschiedene Versteinerungen und viele Knochen und Zähne zu sehen, die die Vielfalt der Fauna des Pliozän dokumentieren. Um den Besucher überzeugender in jene Zeit zu versetzen, befindet sich an den Wänden des Museums ein Diorama. Der Hintergrund zeigt die typische Landschaft vor 5 Millionen Jahren. Naturalistisch sind Magnolien-Bäume und Rhododendron gemalt, die bereits damals in diesen Breiten wuchsen. Zwischen ihnen schreiten Mastodonten, prähistorische Pferde (Hipparion), Tapire (Tapirus arvernensis) und ein zweihorniges Pliozän-Nashorn (Stepharnochinus megarhinus), ferner die Vorfahren unserer heutigen Bären, Hirsche und anderer Tiere. Vertreten sind auch das Rhodopen-Auerhuhn (Tetrao rhodopensis), das als der älteste Vertreter dieser Gattung zählt, und die Balkan-Pliozän-Ente (Balcanas pliocaenica). Die Knochen beider Arten, die neu für die Wissenschaft sind, wurden erstmals in der Fundstätte Dorkowo entdeckt. Reiches Fotomaterial und viele Exponate in den Vitrinen runden die Ausstellung ab. Begleittexte vervollständigen das Bild von der Evolution.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: Swetlana Dimitrowa und bg.wikipedia.org
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