Die erste so genannte Mutterleib-Höhle in Bulgarien wurde 2001 vom Höhlenforscher Mintscho Gumarow entdeckt. Erforscht wurde sie vom Archäologen Prof. Nikolaj Owtscharow, der sie auf das 11.-10. Jahrtausend v.u.Z. in der Zeit der Thraker datierte. Die Form der Höhle provoziert das Interesse von Experten und Hobbyforschern, die sich für alte Heiligengenstätten interessieren.
Wie sich erwiesen hat, ist diese Höhle ganz und gar nicht einzigartig, denn in Bulgariens gibt es in 25 weiteren Regionen solche Höhlen, mancherorts sogar zwei, behauptet Kostadin Dimow, der zusammen mit dem Hobbyforscher Srebrin Srebrow seit 2008 Bulgarien bereist, um Höhlen mit dieser Form zu erkunden.
„Die tiefste Höhle mit einer solchen Form ist Tangarak kaja in der Nähe des Dorfs Nenkowo bei Kardschali, bekannt als der Mutterleib. Die höchste befindet sich auf Harman kaja. Es gibt auch eine in drei geteilte Höhle. Sie befindet sich bei Tatul, in der Nähe von Momtschilgrad“, weiß Dimow und präzisiert: „Diese natürlichen Höhlen werden aufgrund ihrer Form auch als Mutterleib-Höhlen bezeichnet. Diese Form entsteht überall auf der Welt, wo es vier Jahreszeiten gibt, wenn der Schnee schmilzt und die Feuchtigkeit in eine Ritze eindringt. Das Wasser höhlt den Stein aus, so dass irgendwann die Form eines Uterus entsteht. In uralten Zeiten wurden diese Höhlen als Gebetsstätten genutzt.“
Die ältesten Mutterleib-Höhlen, die von Menschen benutzt wurden, befinden sich bei Nizza. Dort wurden kleine, 25 000 Jahre alte Figuren entdeckt, die als Gaben für die Muttergöttin dienten.
„Anfänglich wurden diese Höhlen aufgrund ihrer Form für den Kult der Muttergöttin benutzt. Ab einem bestimmten Moment in der Menschheitsgeschichte aber wurde auf dem Gebiet des heutigen Bulgarien der Sonnenkult aktuell. Die Sonne war das Sinnbild des Helden, der in das weibliche Wesen eindringt. Zu dieser Zeit wurde begonnen, die Mutterleib-Höhlen für den Sonnenkult zu nutzen. Die Menschen haben per Hand die Höhlen so geformt, dass mehr Sonnenlicht in das Innere der Höhle eindringen konnte. In den in den südlichen Gebieten gelegenen Höhlen war das zu Weihnachten der Fall. Genau dann ist der niedrigste Sonnenstand, so dass das Licht sehr tief in der Höhle eindringen kann.“
„Sehr beeindruckend ist wie die Höhle in Tangardak kaja durch Menschenhand geformt wurde. Die alten Meister haben mehrere Meter tief gegraben“, erzählt Kostadin Dimow. Über die in drei geteilte Höhle bei Tatul berichtet Kostadin, dass es dort drei optische Wege für die Sonne gibt. „Es gibt drei unterschiedliche Momente, in denen die Sonne in die Tiefe der Höhle eindringt. Das ist eine astronomisch komplizierte Anlage“, betont Kostadin Dimow. „Offensichtlich wurde sie als Kalender benutzt, an dem sich die Menschen orientieren konnten wann sie säen und andere Tätigkeiten verrichten.“
Doch warum erfahren wir erst so spät von der Existenz solcher Höhlen, fragten wir den Forscher.
„Die Tatsache, dass die Forschung erst jetzt auf diese Höhlen aufmerksam wird, hängt mit ihrem Mysterium zusammen. Es gab nur wenig Eingeweihte. An den Wänden dieser Höhlen finden sich keine Zeichnungen oder Reliefs. Dort wurden geheime rituelle Akte vollzogen, die nur von wenige Menschen gleichzeitig gesehen werden konnten. Es gibt noch vieles, das wir herausfinden müssen wie zum Beispiel das Zeichen Pik, an dem die Eingänge dieser Höhlen erinnern. Der untere Teil wird breiter und ähnelt einem Griff. Es ist für alle Mutterleib-Höhlen, bei denen es ausgemacht werden konnte, dass sie von Menschenhand geformt wurden, charakteristisch. Doch bisher gibt es keine Erklärung warum das so gemacht wurde. Es ist bequem dort hineinzugehen und sich zu setzen wie auf zwei Bänken, doch es ist nicht immer bequem zum Gehen. Das bedeutet, dass es eine andere Rolle gespielt haben muss, die wir noch nicht enträtselt haben.“
Kostadin Dimow erklärt, dass die Ausarbeitung der optischen Wege mit Zugang zur Sonne in einem bestimmten Moment unter einem bestimmten Winkel eine sehr schwierige Aufgabe war.
„Stellen Sie sich vor, wie die Sonne in eine solche Mutterleib-Höhle fünf Tage im Jahr um die Weihnachtszeit für 10-15 Minuten eindringt. Du musst ein ganzes Jahr graben und dir vorstellen, wo die Sonne, wenn es keine Wolken gibt, genau hineinscheinen muss. Das bedeutet, dass du nicht jedes Jahr kontrollieren konntest, ob deine Arbeit, verrichtet mit den primitiven Werkzeugen, die es vor Jahrtausenden gab, in die richtige Richtung gegangen ist. Das ist faszinierend und ein Mysterium zugleich.“
Übersetzung: Georgetta Janewa
Fotos: Privatarchiv von Kostadin Dimow
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