Die allgemeine Wehrpflicht wurde in Bulgarien am 1. Januar 2008 abgeschafft und seitdem besitzt das Land laut dem damals verabschiedeten Gesetz über die bewaffneten Streitkräfte eine Berufsarmee. Die Diskussionen über den Zustand der Streitkräfte und den Mangel an Militärs setzten sofort ein. 2016 sah sich der Ministerpräsident der Übergangsregierung Ognjan Gerdschikow genötigt, in einem Sonderbericht darauf hinzuweisen, dass die bulgarische Armee zum ersten Mal in ihrer Geschichte nur teilweise in der Lage sei, ihre Aufgaben zu erfüllen und für die territoriale Integrität und die Souveränität des Landes zu garantieren. Dieser Bericht wurde später aufgebessert, indem festgehalten wurde, dass die Armee trotz steigenden Mangels an Militär und veralteter Bewaffnung die Engagements gegenüber der NATO erfülle und für die Souveränität des Landes garantiere.
Die Feststellung, dass die bulgarische Armee nur teilweise kampffähig sei, bestätigte Staatspräsident Rumen Radew in seiner Funktion als Oberkommandierender der Streitkräfte und ehemaliger Militärflieger. Es fehle an moderner Technik und Ausrüstung, an Mitteln für eine vollwertige Ausbildung, der Militärberuf besitze einen niedrigen sozialen Status und daher wolle ihn kaum jemand ergreifen, meinte er.
„Ich werde mich für eine rechtzeitige Erarbeitung eines Programms zur Entwicklung der Verteidigungsfähigkeit der Streitkräfte bis 2030 und die Aktualisierung der Nationalplans zur Erhöhung der Militärausgaben auf 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2024 einsetzten“, sagte heute Rumen Radew, der auf ein Jahr Amtszeit zurückblickt.
Die unzureichende Finanzierung der Armee in den letzten Jahren hat dazu geführt, dass in der Verteidigung lediglich 25 bis 30 Prozent der Stellen besetzt sind. Angehende Berufssoldaten erhalten ein monatliches Anfangsgehalt von umgerechnet 325 bis 350 Euro, was für einen jungen Menschen kein Anreiz ist. Die Regierung nahm sich dieses Problems an und so schlug der Vizepremier und Verteidigungsminister Krassimir Karakatschanow die Einführung eines freiwilligen Wehrdienstes vor. Gleichzeitig gab er zu verstehen, dass er seinen langgehegten Wunsch zur Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht durchaus nicht vergessen habe. Der freiwillige Wehrdienst sei ein Schritt in dieser Richtung. Der Minister schlägt vor, das Modell der Schweiz zum Vorbild zu nehmen. Nach einer halbjährigen Ausbildung für alle gehen sie zur Reserve über, wobei die Fähigkeiten und Fertigkeiten periodisch aufgefrischt und erweitert werden. Karakatschanow spricht sich ferner für eine Erweiterung der Wehrerziehung an den Schulen aus.
„Die derzeit durchgeführten 5 Stunden an den Schulen enthalten nur Geschichte und Theorie. Das ist zu wenig, um den jungen Menschen eine reale Vorstellung davon zu vermitteln, was der Militärdienst ist und was man im Falle von militärischen Auseinandersetzungen tun muss. Sie müssen lernen, mit Schusswaffen richtig umzugehen und Erste Hilfe zu leisten. Meiner Ansicht nach muss die Anzahl der Stunden in Wehrerziehung vergrößert und sie müssen praxisbezogener gestaltet werden. Die Wehrerziehung formt in den jungen Menschen patriotische Gefühle. Ab dem nächsten Schuljahr werden wir mit einem Pilotprojekt beginnen – besonders in den Städten, in denen es Militärschulen oder große Garnisonen mit gut ausgebildeten Offizieren gibt, die in die Rolle von Lehrern schlüpfen können.“
Radio Bulgarien gegenüber erläuterte Verteidigungsminister Karakatschanow seine Idee über den freiwilligen Wehrdienst:
„Über die allgemeine Wehrpflicht läuft in der Öffentlichkeit noch eine Debatte. Momentan ist es sinnvoller, etwas zu unternehmen, das auch im Regierungsprogramm der GERB-Partei und der „Patriotischen Front“ enthalten ist, nämlich die Einführung eines Wehrdienstes auf freiwilliger Basis. Alle Bulgaren, die 18 Jahre alt geworden sind und den Wunsch haben, können eine militärische Ausbildung im Rahmen von 6 bis 9 Monaten erhalten und danach zu ihrem Alltag zurückkehren.“
In allen Ländern, in denen die Wehrpflicht abgeschafft und eine Berufsarmee aufgestellt wurde, haben laut Minister Karakatschanow Probleme bei der Auffüllung der Reihen.
„Dieses Problem kann ohne die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht nicht gelöst werden“, ist der bulgarische Verteidigungsminister überzeugt. „In etlichen Ländern, selbst in unseren Nachbarländern wie Griechenland und der Türkei gibt es nach wie vor die Wehrpflicht. Das gilt auch für Österreich, während Schweden und Finnland die Wehrpflicht seit vergangenem Jahr wieder eingeführt haben. Das ist ein Prozess der meiner Meinung nach unumkehrbar ist“, sagte abschließend Verteidigungsminister Krassimir Karakatschanow.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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