Das bulgarische Finanzministerium veröffentlichte während der Woche Angaben über die Finanzlage der Gemeinden in Bulgarien während des vergangenen Jahres. Allgemein wird eine gewisse Verbesserung konstatiert. So ist die durchschnittliche Verschuldung (im Verhältnis zu den Einnahmen und Fördergeldern) von 49,16 Prozent im Jahre 2016 im darauffolgenden Jahr auf 48,08 Prozent gesunken. Auch die langfristigen Schulden seien von 7,25 Prozent auf 5,58 Prozent zurückgegangen. Von der diesjährigen Liste der Gemeinden, die einer finanziellen Gesundung zugeführt werden müssen, sind 21 Gemeinden gestrichen worden; dafür kamen jedoch zwei neue hinzu, während neun weitere Gemeinden bereits seit 2016 ständig auf dieser Liste stehen.
Einen Aufwärtstrend stellten ferner die Teilnehmer der Jahresversammlung der Vereinigung der bulgarischen Gemeinden fest, die vor einen Monat in Sofia durchgeführt werde. Diese Vereinigung ist übrigens die größte Nichtregierungsorganisation in Bulgarien. Die Organisationsleitung betonte auf der Sitzung, dass es im vergangenen Jahr einen besseren Makrorahmen zur Finanzierung der Gemeinden gegeben habe – es standen mehr Mittel für Bildung, soziale Dienstleistungen, Gesundheitsfürsorge u.a. zur Verfügung. Aufgeworfen wurden jedoch auch besorgniserregende Tatsachen. Der bulgarische Staatspräsident Rumen Radew, der zur Zusammenkunft eingeladen worden war, warnte, dass das europäische Modell der Dezentralisierung der Gemeinden, das in vielen Ländern Erfolge zeitigt, in Bulgarien noch keineswegs umgesetzt worden sei.
Laut Angaben des Instituts für Marktforschung haben im vergangenen Jahr die Einnahmen der Gemeinden gemessen am Bruttoinlandsprodukt einen Wert von 7 Prozent erreicht; zum Vergleich: der EU-Durchschnitt liegt bei 15,6 Prozent. Angesichts der Tatsache, dass der Staat keine realen Schritte zur finanziellen Dezentralisierung einleitet, haben sich die finanzschwachen Gemeinden gezwungen gesehen, die Steuern anzuheben. Im vergangenen Jahr, in dem das Finanzministerium eine Besserung der finanziellen Lage der Gemeinden registriert hat, wurden in 62 Gemeinden grundlegende Steuern angehoben; lediglich zwei Gemeinden konnten sie senken. Laut dem Institut für Marktforschung könne eine finanzielle Unabhängigkeit dadurch erreicht werden, dass ein Teil oder sogar der gesamte Umfang der Ertragsteuer den Gemeinden zugutekommt, d.h. die von den Bürgern gezahlten Steuern bleiben in der Gemeinde, in der sie leben. 2015 war ein entsprechender Versuch unternommen wurde, der jedoch scheiterte. Man scheut sich vor einem zweiten Anlauf und so schlägt der Staat im Hinblick einer finanziellen Dezentralisierung nun Steuererhöhungen vor, anstatt die Steuergelder besser zu verteilen.
Als einen weiteren Grund für die prekäre finanzielle Lage führen einige Experten die Kofinanzierung europäischer Projekte an. Die Gemeinden sehen sich gezwungen, Darlehn aufzunehmen und häufen so Schulden an. Neben der leidlich bekannten schwachen Eintreibbarkeit der Steuern erweist sich die Kofinanzierung als eine zusätzliche Last.
Obwohl die Debatte über die reale Dezentralisierung und die Übereignung eines Teils der Einnahmen aus den Direktsteuern nicht sonderlich aktuell ist, weisen die Handlungen der Gemeinden deutlich darauf hin, dass die mangelhafte Dezentralisierung ein reales Problem ist. Laut dem Institut für Marktforschung sei mit politischem Willen eine Änderung der Lage noch in diesem Jahr möglich, trotz der richtigen Feststellung, dass sich die Situation erst dann grundlegend ändern könne, wenn einige Gemeinden zusammengelegt und eine neue territoriale Verwaltungsgliederung vorgenommen wird.
Eine ähnliche Meinung äußerte auf der Jahresversammlung der Vereinigung der bulgarischen Gemeinden der bulgarische Staatspräsident Rumen Radew, der unterstrich, dass nur dann eine wahre Verbesserung der Lage der Gemeinden erzielt werden könne, wenn eine effektive nationale Politik zur Regionalentwicklung zum Greifen kommt.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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